magische momente
: Sing mit der BVG

Genau das muss er sein, der Unterschied zwischen einem ganz normalen Stadionsamstag während der Ligasaison und einem live erlebten WM-Spiel. Plötzlich klappt alles, und zwar so gut, dass es schon wieder verdächtig ist. Nur die S-Bahn hat bereits bei der Anreise „technische Probleme“.

Dennoch sind die Fans fröhlich und ausgelassen. Kroaten, Brasilianer und Deutsche mit Fahnen und Trikots in der einen oder der anderen Landesfarbe. Da geht’s bei Ligaspielen deutlich härter zu. Auch während des Spiels gibt es keine Schmähgesänge und Beschimpfungen.

Wirklich Großartiges ereignet sich jedoch erst nach dem Spiel, während der Heimfahrt. Der große Schwung ist bereits weg, die BVG läuft fast schon wieder im Normalbetrieb. Die S-Bahn in Berlin ist so voll wie die U-Bahn in Tokio. Plötzlich bleibt der Zug stehen. Auf offener Strecke! Im Niemandsland. Geht es weiter? Wenn ja, wann? Umfallen kann niemand, aber trotz mitternächtlicher Hitze muss auch niemand den Erstickungstod fürchten: Die oberen Fenster stehen offen. Die Kroaten stimmen Gesänge an – trotz des 0:1 gegen Brasilien. Erst im Chor, dann ein Solist, offenbar ein Fußballtenor. Fans singen den Refrain. Dann eine Frauenstimme. Portugiesisch, das berühmte „Brazil“. Die Kroaten singen mit, dann auch ein paar mutige Deutsche. Neue Stimmen tauchen auf, und es entsteht ein brasilianisch-kroatischer Gesangswettbewerb. Auf offener Strecke, im Niemandsland. Als sich der Zug wieder in Bewegung setzt, bedauern das alle ein bisschen. DIETER GRÖNLING