Aufzugaffäre alarmiert Behörden

Der Sohn des Rentners, der 80 Stunden in einem Aufzug feststeckte, erstattet Strafanzeige gegen die Klinik. Andere Technik hätte dessen Martyrium verhindert

Was sich zur Aufzug-Affäre auswächst, hätte gar nicht passieren brauchen. Das Martyrium des Karlheinz Schmidt, der über drei Tage in einem engen Klinikaufzug feststeckte, ohne Wasser, ausgestattet nur mit ein paar Keksen, hätte ihm erspart werden können – mit der richtigen Aufzugtechnik. „So ein Unfall wäre einfach zu vermeiden“, sagte Gerald Wittwer gestern, Sprecher des Berliner Aufzugherstellers Otis. Ein so genanntes Fernüberwachungssystem hätte automatisch Alarm geschlagen: „Wenn ein Aufzug länger bewegungslos bleibt, wird das spätestens nach einer halben Stunde in einen Überwachungsraum gemeldet.“

Die Firma Otis hat auch die Aufzüge im Benjamin-Franklin-Klinikum eingebaut, das heftig in der Kritik steht. Die Amtsanwaltschaft prüft, ob ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet wird, sagte ein Polizeisprecher. Auch der Sohn des Patienten will Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung erstatten.

In der Charité, zu der die Klinik in Steglitz gehört, bemüht man sich hektisch um Aufklärung: Ein Bericht aller betroffenen Abteilungen liege voraussichtlich Ende der Woche vor, sagte Kliniksprecherin Kerstin Endele. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Schmidt 80 Stunden in dem Aufzug verbracht hatte. Ein Arzt hatte am Montag gegen 23 Uhr ein leises Klopfen und Hilferufe gehört, woraufhin Techniker den 68-jährigen Rentner befreiten.

Vorgeschrieben sind die Fernüberwachungssysteme nicht, sagt der Sprecher des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi), Robert Hart: „Eine Notrufanlage ist dagegen Pflicht.“ Die Behörde hat sich eingeschaltet. Der TÜV und das Klinikum als Betreiber des Aufzugs seien bereits kontaktiert worden, sagt Hart. Der TÜV, der Liftanlagen regelmäßig abnimmt, will eine eigene Prüfung anberaumen. „Nur wenn dabei Unregelmäßigkeiten festgestellt werden, können staatliche Stellen gegen den Betreiber vorgehen.“ Bisher gehe man davon aus, dass nicht der Aufzug das Problem sei, sondern die Betreuung des Patienten, so Hart.

Unterdessen wird der Ruf nach Aufklärung immer lauter: „So etwas darf nicht wieder passieren“, sagt Roswitha Steinbrenner, die Sprecherin der Gesundheitssenatorin. „Gegebenenfalls muss die Klinik ihr Patientenbetreuungsmodell verbessern.“ Auch die Patientenbeauftragte Karin Stötzner erwartet eine baldige Aufklärung. „So ein Vorfall entsetzt mich.“

Warum der Renter so lange unbemerkt blieb, ist nach wie vor ungeklärt: Der Alarmknopf in den Aufzügen der Benjamin-Franklin-Klinik meldet ein Signal in einen Kontrollraum. „Dieser ist 24 Stunden am Tag besetzt“, sagt Sprecherin Endele. Die Anlage habe einwandfrei funktioniert. Die Darstellung des Aufzugopfers klingt anders: Sehr wohl habe er den Notrufknopf gedrückt. Er habe schließlich selbst mal im Aufzugbau gearbeitet – und Notdienste übernommen –, sagte Schmidt einer Boulevardzeitung. Dass der defekte Lift nicht mit einer Fernüberwachung ausgerüstet ist, ist keine Ausnahme. Der landeseigene Klinikkonzern Vivantes, der in Berlin neun Häuser unterhält, hat das System auch nicht in seine Aufzüge eingebaut. „Die Anschaffung einer Fernüberwachung von Aufzügen ist auch nicht geplant“, sagt Vivantes-Sprecher Uwe Dolderer und verweist auf funktionierende Notrufanlagen. BLAS URIOSTE