WM stört Basisarbeit

Montagsdemonstranten und Linkspartei sehen sich von Sicherheitsmaßnahmen behindert. Das „Eine Welt Netzwerk“ verzeichnet ein gesteigertes Interesse an Fair Trade, bleibt aber bei seiner Kritik

von THORSTEN STEER

Christian Kölle ist wütend: „Das ist ein Abbau demokratischer Rechte!“ Kölle ist Organisator der regelmäßigen Montagskundgebungen gegen Hartz IV, denen nun die WM in die Quere kommt. Weil die US-Nationalmannschaft darauf bestand, im Stadtzentrum zu residieren, genehmigte die Polizei den traditionellen Treffpunkt an der Mönckebergstraße nicht mehr. Während der WM muss die Kundgebung, zu der nach Angaben Kölles im Schnitt etwa 60 Teilnehmer kommen, auf die Spitalerstraße ausweichen.

Der ursprüngliche Anlaufpunkt ist nach Einschätzung der Polizei zu nahe am US-Team, das im Hyatt-Hotel untergebracht ist. Das versteht Kölle nicht. „Wir haben jetzt zum 98. Mal demonstriert, Ausschreitungen gab es noch nie“, sagt er. Er erkennt in den Gästen aus Übersee gar potenzielle Verbündete: Selbstverständlich sei das US-National-Team „herzlich willkommen, sich dem Protest gegen Sozialabbau anzuschließen“.

Verärgert über die strengen Sicherheitsmaßnahmen zur WM ist auch die Linkspartei. Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack kritisiert zunehmende Polizeiwillkür. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte habe sich „mit der WM verschärft“. So sei bei einer Protestkundgebung gegen die NPD-Demonstration in der vergangenen Woche (taz berichtete) ein Wasserwerfer „mitten durch die Gegenkundgebung“ gefahren. „Rechtsbrüche“ würden zurzeit offenbar „in Kauf genommen“. Er werde gegen den „völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz Strafanzeige stellen“, kündigte Wittmaack an.

Dass die Sorge um die Sicherheit während der WM seltsame Blüten treibt, können die Aktivisten des Altonaer Volksparkbündnisses bestätigen. Sie setzen sich für den Erhalt des Parks als nicht-kommerzielles Erholungsgebiet ein. Einen Infostand vor Ort zu genehmigen, lehnte die „Sondernutzungszentrale“ des Bezirksamtes Altona jedoch ab. Der Park gehöre während der WM zur „Bannmeile“ um das Stadion, hieß es im Amtsschreiben. Auf taz-Nachfrage räumte Pressesprecher Rainer Doleschall ein, dass mit der Begründung über das Ziel hinausgeschossen wurde. Die Kollegin sei wohl „übereifrig“ gewesen. Vielmehr stünden Hamburgs Grünanlagen „generell nicht für Infostände“ zur Verfügung. Mit der WM habe das nichts zu tun.

Für die Fair-Trade-Szene scheint das Turnier dagegen Vorteile zu haben. Heiko Möhle, Geschäftsführer des „Eine Welt Netzwerkes“, erkennt für „diesen speziellen Bereich durchaus positive Effekte“. Im Zusammenhang mit der WM könne gut aufgezeigt werden, unter welchen „prekären Bedingungen“ gerade Sportartikel oft hergestellt würden. Veranstaltungen zur Thematik würden „verstärkte Aufmerksamkeit“ erfahren.

Unterstützung kommt auch von offizieller Seite. Zur Weltmeisterschaft beteiligt sich der Senat an der Kampagne „Hamburg 2006mal fair“, die auf die Bedingungen der Herstellung von Fußbällen aufmerksam machen will. Dennoch, so Möhle, sei Hamburg mit seinen engen Beziehungen zu China die „Hauptstadt des unfairen Handels“.