„Grillrauch ist auch gefährlich“

Es geht den Staat nichts an, wenn Raucher sich mit ihrer Sucht gesundheitlich schaden, meint Klaus Hillenbrand. Der passionierte Raucher ist Chef vom Dienst bei der taz und befürwortet individuelle Regelungen

taz: Vor dem Europäischen Gerichtshof wird über ein Werbeverbot für Tabakprodukte gestritten, im Bundestag gibt es eine Initiative für ein Rauchverbot, wie es in anderen Ländern gilt – wird den Rauchern damit nun wirklich der Kampf angesagt?

Klaus Hillenbrand: Formal geht es der EU-Kommission ja um die Gleichbehandlung aller EU-Staaten. Wenn also einige Länder die Tabakwerbung verbieten, müsste man das auch in Deutschland tun, so die Logik. Mit derselben Argumentation könnten man aber auch die Werbung für Lakritzbonbons oder Autos verbieten: Das hat mit der eigentlichen Problematik nichts zu tun. Aber die Debatte wird natürlich verknüpft mit den Gefahren des Rauchens. Doch die eigentliche Frage ist: Wie weit hat der Staat die Verpflichtung, seine Bürger vor Unbilden jeglicher Art zu schützen?

Hat der Staat diese Pflicht denn etwa nicht?

Kommt auf die Definition an. Autos werden immer Menschenleben kosten, selbst wenn die tollsten Filter eingesetzt sind. Beim Grillen von Würstchen entsteht giftiger Rauch – und natürlich auch beim Rauchen von Zigaretten, völlig unbestritten. Es ist auch vernünftig, Gesetze zu finden, die einen gewissen Schutz davor bieten. Die Frage ist nur, welchen Absolutheitsanspruch sich der Staat inzwischen anmaßt.

Die Tendenz kommt ja aus den Vereinigten Staaten, wo der Staat offensichtlich glaubt, sich hier einmischen zu müssen. Die Frage für mich ist aber: Geht es den Staat überhaupt was an? Ist es notwendig, ein Gesetz zu haben, das das Rauchen im Umkreis von sechs Metern um eine Eingangstür verbietet, weil der Rauch eventuell durch die Tür ziehen kann, wie das in New York der Fall ist. Ist es notwendig zu sagen, wir verbieten das Grillen auf dem Balkon, weil der Mieter obendrüber eventuell später an Krebs erkranken könnte? Ist es richtig zu sagen, wir brauchen ein Gesetz gegen Autos, weil Autoabgase zu einer Erkrankung führen können?

Das ist doch Polemik: etwas zur Grundsatzfrage zu stilisieren und die schlimmsten Konsequenzen an die Wand zu malen, damit in der eigentlichen Sache nichts unternommen wird. Natürlich sind Autos ein Problem – und Rauch, der beim Grillen entsteht, vielleicht auch. Aber es gibt doch viele Abstufungen, die vor einem Totalverbot stehen. Und beim Rauchen geht es ja auch nicht um das Verbot der Zigarette an sich, sondern darum, das Rauchen in öffentlichen Räumen wie Kneipen oder dem Büro einzuschränken.

Das stimmt. Aber warum verbietet man in den Kneipen dann nicht den Konsum von Bier? Alkohol ist doch zweifelsohne gesundheitsschädlich.

Der Unterschied ist: Das Bier trinke ich ganz allein, den Rauch atmen auch andere ein.

Okay, das stimmt. Daher ist es auch notwendig eine Regel zu finden, damit Nichtraucher vom Qualm nicht belästigt werden.

Befürworter eines Rauchverbots gehen aber noch weiter: Sie wollen auch die Raucher selbst schützen, nicht nur ihre Umwelt. Denn in Deutschland sterben laut Schätzungen gut 3.000 Menschen pro Jahr, weil sie passiv mitgeraucht haben, aber weit über 100.000 aktive Raucher.

Ich finde, das geht den Staat nichts an. Wenn jemand eine Passion hat, die schädlich ist für seine Gesundheit, ob das jetzt extreme Sportarten sind oder Kampftrinken oder Rauchen – das mag dann zwar bekloppt sein und man sollte versuchen, dem Menschen das auszureden. Aber das ist Sache etwa seines Arztes und nicht des Staates.

Rauchen ist aber eine Sucht: Ärzte sehen es nicht als Hobby oder Gewohnheit, sondern als eine Krankheit wie Drogen- oder Medikamentensucht. Deshalb kann der Raucher nicht frei entscheiden, er muss mit Hilfe von außen geheilt werden. Dazu trägt sowohl das Werbe- als auch das Rauchverbot in der Öffentlichkeit bei.

Richtig, Rauchen ist eine Sucht. Das ist nichts, was man stolz vor sich herträgt. Andererseits bedeutet ein Verbot aber auch, dass ich bestimmte Bevölkerungsschichten entmündige, weil mir an denen etwas nicht passt. Andere Süchte sind ja auch legitimiert. Rauchen hingegen wird zunehmend delegitimiert als etwas, was die Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Wenn die Gesellschaft nicht gefährdet wird oder Einzelne durch passives Rauchen nicht gefährdet werden, sehe ich kein Problem darin, dass die Leute rauchen.

Es sollte also eine persönliche Entscheidung bleiben, ob man etwas dagegen tut oder nicht?

Ich finde, das sollte so geregelt werden wie bei den Tarifverträgen. Da müssen auch die Beteiligten selbst entscheiden, zu welchem Kompromiss sie kommen, sei es bei Arbeitszeit oder bei der Entlohnung.

INTERVIEW: REINER METZGER