Höchststrafe für jungen Mörder

Ein 16-Jähriger ist zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Er hatte im Sommer 2005 einen Siebenjährigen getötet, nach Ansicht des Gerichts aus Heimtücke und Mordlust. Verteidiger spricht von gründlichem, fairem Prozess

Die Tür zum Gerichtssaal war von Journalisten belagert, als drinnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Urteil erging. 10 Jahre Jugendstrafe für Ken M. (*), der am 27. August 2005 in Zehlendorf einen siebenjährigen Nachbarsjungen ermordet hat. Der Fall hatte seinerzeit eine heftige Debatte über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern ausgelöst. Ken M. war zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alt. Das Gericht zeigte sich gestern überzeugt, dass der kleine Christian von dem Angeklagten in einer Mischung aus Heimtücke und Mordlust erschlagen worden ist.

Jugendstrafverfahren finden stets ohne Öffentlichkeit statt. Viel war es nicht, was die Presse über den Prozess und die Urteilsgründe erfuhr. „Heimtücke heißt Überfall auf das Opfer von hinten“, erläuterte ein Justizsprecher. „Mordlust bedeutet ein gesteigertes Lustempfinden an der Tötung eines Menschen.“

Ein klein wenig auskunftsfreudiger zeigte sich der Verteidiger des Angeklagten, Matthias Zieger. Er sprach von einem „gründlichen, fairen Prozess“. Der Angeklagte habe ein schonungsloses Geständnis abgelegt. Dieses habe die Verhandlung erheblich verkürzt, sich im Strafmaß aber zu dessen Ungunsten ausgewirkt. Ob mit schonungslosem Geständnis ein Schreiben von Ken M. an das Gericht gemeint ist, in dem der Angeklagte erklärt haben soll, dass er schon immer jemanden umbringen wollte, um zu wissen, wie das ist, wollte Zieger indes nicht sagen.

Vermutlich als Folge des Schreibens hatte in dem Prozess die Frage im Raum gestanden, ob Ken M. psychisch krank sei und in einer geschlossenen Klinik untergebracht werden müsse. Im Urteil kamen die Richter aber zum gegenzeiligen Schluss. Ken M. leide an einer Persönlichkeitsstörung, die nicht krankhaft, sondern auf Erziehungsmängel zurückzuführen sei, hieß es. Die Tat sei entsetzlich, sagte Zieger. Ken M. sei aber trotzdem kein Monster, wie er von Teilen der Presse im vergangenen Sommer dargestellt worden sei, so der Verteidiger. Ken M. sei auch kein hoffnungsloser Fall, sondern „erziehungsbedürftig und -fähig“.

Eine konkrete Schuldzuweisung für das Erziehungsversagen hat das Gericht im Urteil dem Vernehmen nach aber nicht vorgenommen. M. soll schon als Grundschüler durch Gewaltdelikte aufgefallen sein. Sein Vater, ein schwarzer GI, ist tot. Seine Mutter lebt in Amerika. Der Junge wuchs bei seinen Großeltern auf, die mit der Erziehung offenbar überfordert waren. Das Jugendamt war zwar immer wieder mit der Familie befasst, hatte aber nicht nachhaltig reglementierend eingegriffen. Ebenso wenig die Justiz.

Eine Erklärung dafür, warum der kleine Christian sterben musste, ist das alles aber nicht. Täter und Opfer wohnten in Zehlendorf quasi Tür an Tür. Wie es an dem Tattag zu der verhängnisvollen Dynamik kam, ist nicht aus dem Gerichtssaal nach draußen gedrungen. Die Leiche des Jungen war seinerzeit ausgerechnet von dessen Vater entdeckt worden. Das Kind lag nackt mit zertrümmertem Schädel unter einer Plastikplane. „Dieses Bild wird mein Sohn nicht mehr los“, sagte gestern Christians Großvater. PLUTONIA PLARRE