Glücklich vollzogene Trennung

UMZUG Nach jahrelangem Streit verlässt das Künstlerhaus Bethanien sein altes Stammhaus. Und nimmt den Namen mit in ein Atelierhaus an der Kohlfurter Straße mit mehr Platz als zuvor. Auch im Bethanien atmet man auf

28 Ateliers sollen Bett und Küchenzeile bekommen, dazu eine Lounge und Bibliothek

VON NINA APIN

In Christina Sickerts Büro stehen die Reste von 36 Jahren, in ordentlich gestapelten Kartons in einem sonst leeren Raum. Mehr ist es nicht, was beim Umzug des Künstlerhauses Bethanien am neuen Standort ankommt. Keine Patina, kein Staub, keine uralten Plakate oder persönlichen Überbleibsel. Sickert, Pressefrau des Künstlerhaus Bethanien, hat auch gar keine Lust, in Erinnerungen zu schwelgen. Sie blickt auf den Haufen Vergangenheit und sagt lakonisch: „Das Kapitel hätten wir jetzt auch abgeschlossen.“ Dann öffnet sie die Fenster und blickt hinaus auf die Kohlfurter Straße. Sie freue sich auf die Zukunft in einem freundlichen Haus mit netten Nachbarn sagt sie und lächelt.

Am Freitag eröffnet das renommierte Künstlerhaus Bethanien sein neues Domizil in der Kreuzberger „Lichtfabrik“. Die unter Federführung des Investors Nicolas Berggruen als Kunsthaus ausgebaute ehemalige Glühlampenfabrik liegt nur wenige Minuten entfernt vom alten Standort am Mariannenplatz. Trotzdem trennen beide Häuser Welten. Das alte Diakonissenkrankenhaus, das dem Künstlerhaus Namen und Prägung gab, war für Sickert und ihren Chef Christoph Tannert zuletzt nur noch eine Last. Erst okkupierten Besetzer den Südflügel, 2006 erwirkte ein Bürgerbegehren den Umbau zum soziokulturellen Zentrum. Tannert sah den Ruf seiner Institution mit ihrem internationalen Atelierprogramm gefährdet und führte einen erbitterten Kampf gegen die „Kiezdödel“.

Nun hat Tannert in mehrerlei Hinsicht gewonnen: Die Nachbarn und die abgenutzten, schlecht heizbaren Räume ist er los. Für den Umzug bekam er 500.000 Euro aus Lottomitteln, den patentierten Namen „Künstlerhaus Bethanien“ darf er mitnehmen. Mit 3.500 Quadratmetern hat er mehr Platz, auch die Miete ist niedriger als im Bethanien, dafür muss das Künstlerhaus den Ausbau der Räume bezahlen. „Klare Konditionen, mehr nutzbarer Raum und die Möglichkeit, in aller Ruhe am eigenen Profil zu arbeiten“, so euphorisch klang Christoph Tannert, der in den letzten Jahren vor allem zum Jammern vor die Presse trat, lange nicht mehr.

Die schneeweißen Fabriketagen, die sich um einen quadratischen Innenhof legen, sind ideal für einen Neustart. Die 28 Ateliers sollen Küchenzeile und Bett bekommen, dazu eine Lounge, einen Versammlungsraum und eine Bibliothek. Von der ersten Etage führt eine Treppe in den ebenerdigen Galerieraum zur Kottbusser Straße, der „Schaufenster“ des Künstlerhauses werden soll. Noch ist es leer: Es dauerte lange, die Wände vom Bratfett des Pizzaladens zu befreien, der zuvor den Raum belegte.

Christina Sickert ist stolz auf die großen, über den Hof zu erreichenden Ausstellungsräume. Ein schnörkelloser White Cube ohne Tageslicht, mit hohen Decken und variablem Grundriss. „So ziemlich das Gegenteil der alten Räume, die mit ihrem ausgeprägten Charakter den Künstlern oft Kopfzerbrechen machten“, sagt sie. „Relaunch“ heißt programmatisch die Eröffnungsausstellung am Freitag, bei der vier KünstlerInnen aus dem aktuellen Atelierprogramm gleichzeitig ausstellen.

Was danach folgt? „Der neue Ort braucht auch neue Fragestellungen“, sagt Künstlerhaus-Chef Tannert. Am alten Standort habe man sich mit Linkssein und Utopien in der Kunst befasst. Das neue Haus sei näher dran am Kreuzberger Leben.

Im Bethanien fragt man sich derweil, wie es ohne das Künstlerhaus weitergeht. „Es geht aufwärts mit dem Haus“, ist Stéphane Bauer überzeugt. Sein Kunstraum Kreuzberg bleibt im Bethanien, ebenso wie die Druckwerkstatt des Berufsverbands Bildender Künstler (BBK). In die erste Etage soll bald das Atelierprogramm des BBK einziehen, für die restlichen freiwerdenden Räume interessiert sich ein Bündnis aus verschiedenen Theater- und Tanzinstitutionen, Verhandlungen laufen bereits. „Wir gehen von einem nahtlosen Wechsel aus“, sagt auch der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). So spurlos können 36 Jahre vorübergehen.

■  RELAUNCH, 11. Juni ab 19 Uhr, Kottbusser Straße 10