Hoch spielen, flach gewinnen

Der deutsche Vorrundengegner Ecuador kämpft vor seinem WM-Auftakt gegen Polen mit doppelt dicker Luft

BERLIN taz ■ Konditionell werden sie sicher glänzen – dank des unfreiwilligen Höhentrainings. Quito, die Hauptstadt Ecuadors, liegt 2.850 Meter über dem Meeresspiegel. Und wer in dünner Luft einem Ball hinterher rennt, bildet ordentlich rote Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind. Gibt gute Puste. Und macht bei Heimspielen die Gegner mürbe: Sieben Siege im heimischen Stadion hat das Andenteam während der WM-Qualifikation errungen, sogar Brasilien und Argentinien geschlagen. Demgegenüber steht bloß ein einziger Auswärtssieg. Die dünne Luft hat Ecuador zur WM geblasen. Frei nach dem Motto: hoch spielen, flach gewinnen.

Im deutschen Flachland wird das den „Tricolores“, den Dreifarbigen, allerdings nichts nutzen. 95 Meter ü. NN misst der höchste Punkt in Gelsenkirchen, wo das Team von Trainer Luis Suárez heute Abend in der Gruppe A gegen Polen antritt. Die letzte Begegnung der beiden Mannschaften endete mit einem 3:0-Sieg der Polen.

Überhaupt machte Ecuador in letzter Zeit eher kuriose denn sportliche Schlagzeilen: Zuerst legte sich der Stürmer Agustin Delgado mit Chefcoach Suaréz wegen Spielerprämien und seiner Nichtnominierung bei Testspielen an. Nun musste Suaréz seinen Assistenztrainer Armando Osma zurechtweisen, der sich als Prophet betätigte und sagte, Ecuador schieße mindestens fünf Tore in den Gruppenspielen. „Das kann man so nicht behaupten“, konterte Suaréz weise. Schließlich knabbert das Team immer noch an einem Skandal um Menschenschmuggel in die USA, in den der damalige Team-Koordinator und der Mannschaftsarzt verwickelt waren.

Sportlich hüllen sich die Verantwortlich hingegen weitestgehend in Schweigen. In Bad Kissingen werden geheime Trainingseinheiten absolviert. Die Startformation stehe, werde aber nicht bekannt gegeben. Nur so viel verraten die Ecuadorianer: Rekordtorschütze Agustin Delgado, zuletzt verletzungsgeplagt, kann auflaufen. Gemeinsam mit Edison Mendez hat er Ecuador zur WM geschossen (je fünf Tore); beide spielen nach wie vor in ecuadorianischen Clubs. Lediglich vier National-Kicker verdienen ihr Geld im Ausland: Ulises de la Cruz bei Aston Villa, Antonio Valencia bei Villarreal sowie Ivan Hurtado und Carlos Tenorio in Katar.

Mehr als ein Außenseiter sind sie also nicht, die Dreifarbigen (gelb-blau-rot) bei ihrer zweiten WM. In Südkorea sind sie nach zwei Niederlagen und einem Sieg gegen Kroatien in der Vorrunde ausgeschieden. Ein Titel ist ihnen jedoch sicher: Ecuador ist Weltmeister beim Export von Bananen. JUTTA HEESS