Handke wirft Handtuch

Aus und vorbei: Peter Handke will den Heinrich-Heine-Preis nicht. In einem Brief an den Düsseldorfer OB Joachim Erwin lehnt er ihn ab. Der OB bedauert es. Im Stadtrat wird die Entscheidung begrüßt

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Das Gezerre um den Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis hat ein vorzeitiges Ende gefunden: Der Schriftsteller Peter Handke lehnt die Auszeichnung ab. In einem Brief an den Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) bittet Handke darum, „den Preis an mich für nichtig“ zu erklären und die ausstehende Ratssitzung „auf den Nimmerleinstag“ zu verschieben (siehe Kasten). Er wolle sich und sein Werk „nicht wieder und wieder Pöbeleien solcher wie solcher Parteipolitiker ausgesetzt sehen“.

Mit seiner Entscheidung beendet Handke das absurde Theater, das zwei Wochen lang um ihn veranstaltet wurde. Ende Mai hatte sich eine durch den Düsseldorfer Stadtrat eingesetzte Jury für den österreichischen Dichter entschieden, da er in seinem Werk den poetischen Blick auf die Welt rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung setze. Unmittelbar nach der Entscheidung entrüsteten sich Politiker und Feuilletonisten, dass ausgerechnet ein Dichter den Preis bekommen sollte, der auch für seine Nähe zum serbischen Diktator Slobodan Milosevic bekannt ist. Eine endgültige Entscheidung wollte der Stadtrat eigentlich in zwei Wochen fällen.

Düsseldorfs OB Joachim Erwin zeigt Verständnis für Handkes Verzicht, bedauert ihn aber „zutiefst“. In einem Brief schreibt Erwin an Handke, er sei „tief betroffen und verärgert über die unglaublichen Geschehnisse“. Dabei spricht Erwin auch die Rolle der Juroren an: „Warum beauftragt man eine unabhängige Jury, um deren Entscheidung noch vor jeder ernsthaften Diskussion mit fadenscheinigen Argumenten auszuhebeln?“ Ferner kritisiert der OB seine Ratskollegen: Offenbar fehle es den meisten politischen Kräften an Schneid. Erwin hatte das Jury-Votum von Anfang an unterstützt.

Im Stadtrat wird Handkes Schritt indes freudig zur Kenntnis genommen. Auch in der CDU. Dass ihr Parteikollege Erwin eine andere Meinung habe, findet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hildegard Kempkes nicht schlimm. FDP-Fraktionsvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt: „Das war eine kluge Entscheidung.“ Dass Handke indes von „Pöbeleien“ spreche, zeige „literarisch-intellektuelle Arroganz“. Annette Steller, Geschäftsführerin der SPD-Ratsfraktion, findet Hankes Ablehnung „konsequent“. Er habe ja ohnehin keine Preise mehr annehmen wollen. Nun müsse die Satzung präzisiert und bestimmt werden, wer das letzte Wort bei der Preisvergabe habe: die Jury oder der Stadtrat? Auch bei den Grünen wird Handkes Konsequenz begrüßt. Ratsfrau und Jury-Mitglied Marit von Ahlefeld kritisiert, dass in der Jury nicht diskutiert worden sei.

„Handkes Zug war fast schon diplomatisch“, sagt der Literaturwissenschaftler und Handke-Kenner Christoph Parry. Die Auseinandersetzung habe vor allem zu Peinlichkeiten geführt. Handke provoziere gern. Außerdem habe er Sympathie für Serbien gezeigt ohne je seine Neutralität ganz aufzugeben. Parry, Professor der finnischen Univerität Vaasa, wundert sich: „Eine Diskussion ist ja angebracht – aber warum hat sie nicht vorher stattgefunden?“