LESERINNENBRIEFE
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Hungerkanzlerin

■  betr.: „Schwarz-Gelb versaut den Sommer“, taz vom 8. 6. 10

Historische Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen, können aber dennoch erhellend sein: Auch Reichskanzler Brüning sparte damals gegen Ende der Weimarer Republik (1931/32) eifrig und feste, würgte die letzten Reste von Konjunktur damit ab. Er war Mitglied des katholischen Zentrums, Vorgängerpartei der CDU. Die tragischen politischen Folgen sind bekannt, wenn auch nicht monokausal zu erklären. Wegen der großen Depression entwickelte Keynes wenig später seine Theorie des Deficit Spending. Die Schädlichkeit der Sparpolitik Brünings („Hungerkanzler“) ist seit Jahrzehnten Konsens der historischen Forschung. FRANZ SCHART, Gelsenkirchen

Reagiert statt agiert

■  betr.: „Operation Nagelschere“, taz vom 8. 6. 10

Wieder einmal hat sich die Regierung die Chance vergeben, in der Krise vom bloßen Reagieren zum aktiven Agieren überzugehen. Was da als Sparpaket vorgestellt wird, ist auf den zweiten Blick wieder nur Ein-weniger-Schulden-Machen. Auch bis 2014 lebt dieser Staat und diese Gesellschaft über seine/ihre Verhältnisse. Die Regierung traut sich einfach nicht, die notwendigen Schritte zu ergreifen, und macht weiter Schulden, statt über notwendige Steuereinnahmen das Geld zu beschaffen. Der Vorteil wäre, dass man diese Steuern nur einmal zahlen muss, die Schulden muss man gleich doppelt zahlen (Schulden und Zinsen). Bleibt nur die Frage, wie lange diese Taktik aufgeht und ab wann auch wir griechische Sparprogramme von unseren Kreditgebern aufgezwungen bekommen, noch vor der nächsten Wahl oder erst danach? STEPHAN KLÖCKNER, Hamburg

Pastoral-belehrender Gestus

■  betr.: „Merkels idealer Präsident“, taz vom 7. 6. 10

Joachim Gauck neigt zum politischen Konservatismus und zum pastoral-belehrenden Gestus. Seine wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Positionen ähneln denen des Regierungslagers. Nennenswerte Unterschiede zwischen dem „großen Mahner“ und Christian Wulff sind schwerlich zu entdecken. Deshalb muss es verwundern, dass die taz in einer so ausführlichen und unkritischen Weise über Joachim Gauck berichtet. GEERT NABER, Oldenburg

Alimentation bis zum Lebensende

■  betr.: „Der Antidemokrat“, taz vom 2. 6. 10

Unabhängig von einer Neubesetzung fällt unser Expräsident doch weich: Alimentation auf meine Kosten bis zum Lebensende, Dienstwagen, Bodyguard und Büro mit Sekretariat inklusive. Wenn es bei mir im Job einmal richtig „eng“ wird und ich zurücktreten möchte: Dann erwischt mich ein böser Blick vom Arbeitgeber, drei Monate Sperrzeit im Job-Center, perspektivisch Hartz IV und Altersarmut. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Bis zum Tod der letzten Biene

■  betr.: „Gentech-Bäume“, taz vom 4. 6. 10

Wenn die Terminatorgene, die die Pollen- und Blütenbildung unterdrücken sollen, erst einmal freigesetzt sind, dann werden sie sich auch auskreuzen. In dem Fall kommt es zum weltweiten Pflanzensterben, es folgen die Insekten, dann die Fledermäuse und die Vögel und zuletzt der Mensch. Vier Jahre nach der letzten Biene stirbt die Menschheit, ahnte schon Einstein. Im Unterschied zu den begrenzten Folgen der medizinischen Gentechnik ist die „grüne Gentechnik“ nicht rückholbar. Die vielen Milliarden Menschen, die durch Freilandgentechnik vernichtet werden, stehen in keinem Verhältnis zu den relativ wenigen Menschen, die eventuell durch die medizinische Gentechnik geheilt werden können. INGO RENNERT, Müden/Aller