Ein typischer EU-Kompromiss

LEIHARBEIT EU-Arbeitsminister beschließen Reform der Entsenderichtlinien für Leiharbeiter. Das Ergebnis ist ein recht schwammiges „Einerseits-andererseits“. Gewerkschafter: Kein Schutz vor Ausbeutung

BRÜSSEL taz | Wird dem Lohndumping in Europa ein Riegel vorgeschoben – oder geht es jetzt erst richtig los? Darüber streiten die Experten, nachdem sich die EU-Arbeitsminister am Montag in Brüssel auf neue Regeln zur so genannten Entsenderichtlinie geeinigt hatten. Die Reform soll eine bessere Kontrolle der Leiharbeiter ermöglichen, die meist aus Polen und Südosteuropa kommen und oft weit unter Tarif bezahlt werden.

Betroffen sind rund 1,5 Millionen „entsandte“ Arbeitnehmer, die meist auf dem Bau, aber auch auf Schlachthöfen oder in Restaurants arbeiten. Die meisten haben einen Job in Deutschland gefunden, Frankreich liegt mit rund 144.000 Leiharbeitern auf Platz zwei. Frankreich ist auch das Land, wo die Entsenderichtlinie aus dem Jahr 1996 am heftigsten diskutiert wird. Die sozialistische Regierung in Paris hatte vor dem Treffen der Arbeitsminister denn auch den größten Druck gemacht.

Demgegenüber versuchten Polen und Großbritannien, schärfere Regeln zu verhindern. Das Ergebnis ist ein typischer EU-Kompromiss: Einerseits werden die Kontrollen verschärft, andererseits gibt es aber Ausnahmen. Einerseits müssen bei Verstößen künftig auch die Firmen haften, die einen Auftrag weitergegeben haben, und nicht nur, wie bisher, die Subunternehmer. Andererseits soll dies aber nicht für alle EU-Staaten gelten.

Paris zeigte sich dennoch zufrieden. „Die Einigung entspricht in allen Punkten den Forderungen Frankreichs“, sagte der französische Arbeitsminister Michel Sapin. Die Regierung in Paris hatte sich schon vor dem Treffen in Brüssel um ein breites Bündnis bemüht. Neben Deutschland zogen auch Belgien, Luxemburg und Italien mit.

Weniger begeistert wurde der Kompromiss dagegen in Berlin aufgenommen. In Deutschland selbst soll sich durch die Regelungen die Situationen zwar nicht verschlechtern. Aber die Reform lässt weiter Hintertürchen offen, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beklagt. Die Neuregelung schütze nicht etwa die entsandten Arbeitnehmer vor Ausbeutung, kritisiert Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand. Vielmehr schütze sie „die schwarzen Schafe der Arbeitgeber vor notwendigen Kontrollen“. Die Gewerkschafter hoffen darauf, dass das Europaparlament die Reform noch einmal nachbessern wird.

ERIC BONSE