Das Tote Meer am Leben halten

UMWELT Eine neue Pipeline soll das Gewässer von Süden aus versorgen. Das Projekt bekommt Hilfe von EU und Weltbank. Die Ursachen für die Wasserkrise bleiben bestehen

Industrie und Landwirtschaft schlucken das Wasser, die Preise sind subventioniert

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israel, Jordanien und die Palästinenser wollen das Tote Meer durch eine Pipeline mit dem Roten Meer vor dem Austrocknen retten, um die Versorgung mit Trinkwasser und Strom zu sichern. Darauf einigten sich die Regierungen am Montag. Das Projekt, das im nächsten Jahr beginnen soll, ist eine Miniaturausführung des ursprünglich geplanten Roten-Toten-Meer-Kanals, der wegen der Kosten und möglicher ökologischen Folgen gestoppt worden war.

Am Toten Meer ereignet sich eine stille Umweltkatastrophe. Um gut einen Meter sinkt der Meeresspiegel an diesem tiefsten Punkt der Erdoberfläche jedes Jahr ab. Ein Drittel der ursprünglichen Wassermenge ist bereits verschwunden, weil mehr Wasser verdunstet als nachfließt. Schuld sind die Bauern, die mit dem Anbau tropischer Früchte dem Jordanfluss buchstäblich das Wasser abgraben. Die Industrie hat durch die Verdunstungsanlagen zur Gewinnung der kostbaren Mineralien rund ein Drittel der fehlenden Wassermenge auf dem Gewissen: Die Herstellung von Badesalz, Körpercremes oder Haarwaschmitteln schluckt rund 250 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Nicht einmal die Hälfte davon soll dem Toten Meer jetzt zusätzlich zufließen.

Seit dem Startschuss für das Projekt, das von umfassenden Machbarkeitsstudien der Weltbank begleitet wird, drängen die Friends of the Earth Middle East (FoEME) darauf, das Problem des sterbenden Toten Meeres an der Wurzel zu packen. Anstatt Linderung nur für die Symptome zu schaffen, sollte man nach den Ursachen fragen, fordern die Umweltschützer. In Israel fließt nahezu die Hälfte des Trinkwassers in die Landwirtschaft, obwohl der Sektor nur noch rund 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Anstatt zu rationalisieren, subventionieren die Regierungen das Wasser und machen es damit für die Bauern rentabel, mitten in der Wüste Bananen, Mangos und Avocados anzubauen. Nur die Palästinenser haben, genauso wie zum Toten Meer, keinen Zugang zum Jordan, der auszutrocknen droht.

Nicht weniger als zwei Milliarden Kubikmeter Wasser hätte der grandios angedachte Rote-Tote-Meer-Kanal pumpen sollen, um das Tote Meer langfristig wieder aufzufüllen. Doch nur höchstens ein Fünftel davon, so hielten die Experten der Weltbank fest, könne das Gewässer mit der hohen Salzkonzentration jährlich an Fremdwasser aus dem Roten Meer vertragen, ohne Schaden zu nehmen. Allein zur Stabilisierung des Toten Meers würde diese Menge nicht ausreichen, tatsächlich aber bleiben in der aktuellen Phase des Projekts nur noch 200 Millionen Kubikmeter übrig, und auch davon geht noch einmal knapp die Hälfte ab für Trinkwasser.

Der ursprüngliche Plan, zu dessen Initiatoren Staatspräsident Schimon Peres gehörte, sah touristische Anlagen und künstliche Seen vor, in die das Wasser aus dem Roten Meer fließen würde. Peres schwebten neue Ansiedlungen vor und Landwirtschaft in der regenarmen Gegend. Aufgrund der Schwierigkeiten im israelisch-palästinensischen Friedensprozess habe, so berichtet die Zeitung Haaretz, es Jordanien vorgezogen, die Pipeline auf eigenem Land zu verlegen wie auch die Entsalzungsanlage und das Wasserkraftwerk. Der Regierung in Amman geht es in erster Linie um Trinkwasser- und Stromgewinnung, während Israels Hauptinteresse offiziell dem Toten Meer galt.

Rund 200 Millionen Dollar veranschlagt die Weltbank für die Errichtung der Entsalzungsanlagen in Jordanien. Israel soll zwischen 30 und 50 Kubikmeter abnehmen und Jordanien im Gegenzug eine entsprechende Menge aus dem See Genezareth zukommen lassen. Noch mal 250 Millionen Dollar wird die Verlegung des 180 Kilometer langen Rohrs von Akaba bis zum Toten Meer kosten. Hauptfinanzier dafür ist die EU. Die Weltbank schießt einen Überbrückungskredit zu. Bis der erste Tropfen aus dem Roten Meer ins Tote Meer fließt, dauert es dann noch mal rund fünf Jahre.