Die Freiheit, zu hungern

WELTHANDEL Die WTO einigt sich auf ein globales Freihandelsabkommen. Handelshemmnisse sollen fallen, Erleichterungen im Kampf gegen Hunger gibt es nicht

DENPASAR/BERLIN taz | Erstmals in ihrer Geschichte hat sich die Welthandelsorganisation WTO auf ein umfassendes Freihandelsabkommen geeinigt. Der Beschluss von Bali gelang mit einem Kompromiss zur umstrittenen Frage der Ernährungssicherheit.

Indien darf nach heftiger Gegenwehr an einem Anti-Hunger-Programm zur Preiskontrolle von Lebensmitteln festhalten – dies jedoch nur noch in engen Grenzen. Das Land, in dem rund 40 Prozent der Kinder unterernährt sind, geht mit staatlichen Hilfen gegen Hunger vor. Die Regierung will allen Bedürftigen eine Mindestration von 5 Kilo Reis im Monat zur Verfügung stellen und für Dürrezeiten Nahrungsmittelreserven anlegen. Das Programm verstößt gegen WTO-Richtlinien, weil Kleinbauern höhere Abnahmepreise gezahlt werden. Künftig darf das Programm weder ausgeweitet noch von anderen Ländern kopiert werden.

Organisationen wie Brot für die Welt kritisierten deshalb den Beschluss. „Es ist empörend, dass ein Land wie Indien, in dem 800 Millionen Menschen nicht ausreichend ernährt sind, bei seinem Kampf gegen den Hunger blockiert wird“, sagte der Handelsexperte Francisco Mari. Den Industriestaaten sei es gelungen, die Entwicklungsländer zu spalten. „Länder wie Kenia oder Ghana können ein solches Programm jetzt nicht mehr auflegen – während Europa und die USA ihre Agrarproduktion auch weiter subventionieren dürfen.“

WTO-Chef Roberto Azevêdo lobte das Abkommen. „Erstmals ist es uns gelungen, die Erwartungen zu erfüllen und einen Vertrag unter Dach und Fach zu bringen.“ Das Bali-Paket umfasst neben Handelserleichterungen durch vereinfachte Zollrichtlinien auch Veränderung der Subventionsrichtlinien im Agrarbereich. Für Entwicklungsländer gelten gewisse Sonderregeln.

Der Durchbruch wurde von den Industriestaaten und Unternehmensverbänden begrüßt. „Mit einem Anteil am Welthandel von knapp 8 Prozent rechnen wir allein für die deutsche Wirtschaft in den fünf Jahren nach Inkrafttreten mit einem Plus von 60 Milliarden Euro“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Die WTO hat ihre Glaubwürdigkeit als unersetzliches Forum für Verhandlungen über den Handel wiederhergestellt“, erklärte die US-Handelskammer. CJA

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