Von den Pinguinen lernen

Studienreisen sind wieder in: Tourismus-Studie registriert „wachsende Kultur- und Bildungsinteressen“ der älteren Bevölkerung. Vom Südpol bis zur Wüste bieten Reiseveranstalter die unterschiedlichsten Ziele an. Am beliebtesten: Bella Italia

von THORSTEN STEER

Bildungsreisen werden bei den Deutschen immer beliebter. Vielen unternehmungshungrigen Menschen reicht es nicht mehr aus, nur faul am Strand zu liegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Sie wollen ihre kostbare freie Zeit auch für die persönliche Weiterentwicklung nutzen.

Historisch interessante Ziele erfahren dementsprechend Zulauf. Nach der aktuellen Tourismusanalyse des BAT Freizeitforschungsinstitutes sind „wachsende Kultur- und Bildungsinteressen der reiseerfahrenen und älter werdenden Bevölkerung“ beispielsweise eine Erklärung dafür, warum „Italien wieder so gefragt ist“. Laut der Studie wollen 8,4 Prozent der reisewilligen Deutschen in das Land an der Adria, das damit die Spitzenposition unter den Reisezielen einnimmt.

Die Reiseveranstalter können den Trend zum Bildungsurlaub bestätigen. „Studienreisen haben einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Sibylle Zeuch vom „Deutschen Reise Verband“. Insbesondere für Kulturreisen gebe es einen „großen Markt“.

Anbieter „Studiosus“ hat unter anderem eine Tour durch Norditalien im Programm. Auf den Spuren von da Vinci und Stradivari sollen hier Interessierte mehr über die Kunst und die Kultur des Stiefellandes erfahren. Höhepunkt ist ein Besuch der Stadt Mailand.

Natürlich bietet „Studiosus“ auch Reisen in das klassische Griechenland: „Nordgriechenland – Makedonien und Thessalien“. Fans von Alexander dem Großen dürften ihre helle Freude daran haben. Unter anderem führt die Route zum Zeusheiligtum Dion. Hier vollzog Alexander ein Opferritual, um danach gegen die Perser in den Krieg zu ziehen.

Aber auch exotischere Ziele sind möglich. So können Hobby-Forscher mit „Ikarus-Tours“ einen Trip zum Südpol unternehmen. Per Spezialschiff geht es dann, je nach Buchung zwischen 11 und 17 Tage, an die Erkundung von Eisbergen und Pinguinen. Hintergrundinformationen zur Polarregion liefert das umfangreiche Vortragsprogramm. Ganz billig ist das Südpol-Abenteuer allerdings nicht: Der Preis für ein Bett in der Doppelkajüte schwankt zwischen gut 6.000 Euro und knapp 10.000 Euro.

Kältempfindliche Bildungsurlauber können sich von „Ikarus-Tours“ auch in die Wüste schicken lassen. Für knapp 3.000 Euro geht es in die ägyptische Sahara – auf der Route des Forschers Almasy, der aus dem Film „Der englische Patient“ bekannt ist. Der Weg führt über die „Seidenstraße der Pharaonen“ bis zu den „größten Felsbildgalerien unserer Erde“. Ein Entspannungs-Trip ist das mit Sicherheit nicht. „Ikarus“ weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Teilnehmer die „Bereitschaft zum gelegentlichen Anpacken“ mitbringen müssen.

Wer ins Ausland reist, sieht sich meistens mit den Herausforderungen einer fremden Sprache konfrontiert. Eine gute Möglichkeit den Urlaub mit Weiterbildung zu verbinden sind da Sprachreisen. Als Belohnung für das Pauken ergänzen die Anbieter das Lernprogramm oft mit Freizeitaktivitäten: Das können Kochkurse sein, Sport oder auch Tanzen. „Alfa-Sprachreisen“ lockt mit der Einführung in die französische Weinkultur. Bei seinem Angebot „Französisch und Wein in Bordeaux“ lernen die Teilnehmer vormittags die Sprache des deutschen Nachbarlandes, nachmittags steht der französische Wein auf dem Programm – in Theorie und Praxis.

Bei „Language and Leisure“ geht es nüchterner zu. Unter anderem können sich hier Berufstätige sprachlich rüsten, die in einem internationalem Umfeld arbeiten. Sicherlich angenehmer als im kühlen Norden ist der Business-Spanisch-Kurs in Barcelona.

Die kritische Reflexion gesellschaftlicher Prozesse steht bei politischen Bildungsreisen im Vordergrund. Reiselust trifft sich hier mit der inhaltlichen Auseinandersetzung über Themen wie Rohstoffknappheit, bewaffnete Konflikte oder die Europäische Union. So können sich Politikinteressierte mit der 1954 von engagierten Sozialdemokraten gegründeten „Neuen Gesellschaft“ nach Polen aufmachen. Themen: die jüdische Geschichte des Landes und die wirtschaftliche Entwicklung seit dem EU-Beitritt. Auf die Suche nach historischen Spuren in Kaliningrad geht es mit dem Politischen Bildungswerk „Umdenken“. Diskutiert werden soll mit dem Bildungsverein aus dem grün-alternativen Spektrum das Verhältnis Russlands zur EU.

Für politische Bildungsreisen werden die Zeiten in Hamburg allerdings schwerer. Der Grund sind Sparmaßnahmen (siehe unten). Vom Senat gibt es nämlich gut ein Drittel weniger Mittel für die politische Bildung als im vergangenen Jahr.

Informationen: Deutscher Reiseverband (www.drv.de),Fachverband Deutscher Sprachreise-Veranstalter (www.fdsv.de), Hamburger Behörde für Bildung und Sport (www.bildungsurlaub-hamburg.de), Bildungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Hamburger Volkshochschule (www.hamburg.arbeitundleben.de)