Die Ukraine auf Ost-West-Schlingerkurs

PARTNER Präsident Wiktor Janukowitsch lässt eine Chance zur Annäherung an Europa aus und redet lieber mit Russland

BERLIN taz | Die Gedankenwelt des ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch ist unergründlich. Am Sonntag und unter dem Eindruck tagelanger Massenproteste gegen eine Abkehr der Kiewer Regierung von ihrem pro-westlichen Kurs, gab der 63-Jährige zu Protokoll, alles in seiner Macht Stehende tun zu wollen, um eine Annäherung an die Europäische Union (EU) voranzutreiben.

Die Chance, sich in Richtung Brüssel zu bewegen, hatte Janukowitsch wenige Tage zuvor vertan. Ein Assoziierungsabkommen mit der EU, das auf dem Gipfel am 28. und 29. November in Vilnius hätte besiegelt werden sollen, wanderte ununterschrieben zurück in die Schublade. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dabei der Nachbar Russland die Finger mit im Spiel hat. Moskau will eine Annäherung der Ukraine an die EU um jeden Preis verhindern und hatte mit Handelssanktionen gedroht. Das zeigte Wirkung.

Die Frage ist jetzt, ob Janukowitsch seinen Schlingerkurs zwischen Ost und West aufrecht erhalten kann. Das Motto dabei lautet: Wer bietet mehr? Bereits 2008 hatte sich Janukowitsch für eine Integration der Ukraine in einen Wirtschaftsraum mit Russland, Weißrussland und Kasachstan ausgesprochen – was er 2012 gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin bekräftigte. Im März 2013 erklärte er hingegen, ein solcher Schritt stehe derzeit nicht zur Debatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Janukowisch, der noch 2010 mit dem Versprechen, Russisch als zweite Amtssprache einzuführen, um Wähler geworben hatte, bereits sein Herz für Europa entdeckt. Und er hatte gerade ein Assoziierungsabkommen mit der EU paraphieren lassen, das er jetzt platzen ließ.

Zeitgleich zu den EU-Äußerungen von Janukowitsch gab Regierungschef Mykola Azarow am Sonntag bekannt, dass der Präsident in Bälde nach Russland reisen werde, um dort einen Fahrplan zur Normalisierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu unterzeichnen. Fortsetzung folgt. BARBARA OERTEL