Zornerregend und herzzerreißend

ÖLKATASTROPHE BP gelingt es wieder nicht, das Bohrloch zu verschließen. Obama zeigt sich enttäuscht – und steht in der Kritik

WASHINGTON dpa/afp | Die schwerste Ölpest in der US-Geschichte nimmt immer dramatischere Formen an: Ingenieure des BP-Konzerns sind mit ihrem Versuch gescheitert, das defekte Bohrloch vor der US-Küste zu schließen. „Nach drei ganzen Tagen des Versuchs mit ‚Top Kill‘ sind wir unfähig gewesen“, das Ausströmen des Öls aus dem lecken Bohrloch zu stoppen, sagte BP-Einsatzleiter Doug Suttles. Der Konzern hatte versucht, das Bohrloch in 1.500 Meter Tiefe mit Spezialschlamm sowie Gummiresten und Faserabfällen zu schließen und es dann mit Zement zu versiegeln. Doch der Druck des ausströmenden Öls sei zu stark gewesen, sagte Suttles. Weiterhin verseuchen täglich riesige Mengen Rohöl das Meer – vermutlich noch Wochen und Monate.

US-Präsident Barack Obama äußerte sich geschockt. Er ließ eine ungewöhnlich emotionale Erklärung veröffentlichen: „Das ist ebenso zornerregend wie herzzerreißend“, hieß es darin. Zugleich betonte der Präsident, dass der nächste Schritt, das ausströmende Öls wenigstens teilweise aufzufangen, „nicht ohne Risiko ist und noch niemals zuvor in dieser Tiefe versucht wurde“. Am Freitag hatte Obama bekräftigt: „Am Ende trage ich die Verantwortung für die Bewältigung dieser Krise.“

Die ökologischen Folgen des Desasters sind unabsehbar: Vor den Küsten Louisianas und Mississippis ist schon mehr Öl ausgelaufen als 1989 bei dem Unfall des Tankers „Exxon Valdez“ vor Alaska. Täglich fließen 1.600 bis 3.400 Tonnen Rohöl ins Meer. Bisher sind über 270 Kilometer Küste verseucht, mehr als 470 Vögel, 220 Schildkröten und 25 Meeressäuger sind verendet.

Auch die politischen Folgen sind unwägbar: Obama gerät immer mehr in die Kritik, nicht entschlossen genug zu handeln. Die New York Times meinte am Sonntag, der Druck auf die Regierung nehme zu, den Kampf gegen das Desaster nicht dem Verursacher BP zu überlassen, sondern selbst in die Hand zu nehmen.

In den kommenden Tagen will BP in einem neuen Anlauf versuchen, einen Teil des ausströmendes Öl wenigstens aufzufangen und abzupumpen. Dabei wird das bestehende Steigrohr an der Quelle abgesägt und auf diese Öffnung ein Auffangbehälter gestülpt, der das Öl und Gas zu einem großen Teil sammeln soll. Von dort würde es durch eine Leitung zu einem Schiff an der Meeresoberfläche transportiert.

Doch die Experten, die „Top Kill“ immer wieder als die weitaus beste und sicherste unter den möglichen Alternativen bezeichnet hatten, geben sich skeptisch: „Wir können nicht garantieren, dass es funktioniert“, sagte Suttles. Es könne vier bis sieben Tage dauern, bis man über Erfolg oder Misserfolg der Methode urteilen könne. Unsicher sei auch, wie viel Öl auf diese Weise tatsächlich aufgefangen werde. Bereits in den vergangenen Wochen waren zwei ähnliche Anläufe gescheitert.

Endgültige Abhilfe ist frühestens für August in Sicht: Erst mit Parallelbohrungen könne die Quelle zum Versiegen gebracht werden. Zwar ist BP bereits dabei, neue Zugänge zum Steigrohr rund vier Kilometer unter dem Meeresboden zu bohren, doch die Operation braucht Zeit. „Wir sind damit halb fertig. Aber je weiter runter wir kommen, desto schwerer wird es“, meint BP-Chef Hayward.

Nach dem Scheitern des Versuchs, das Leck zu schließen, wird der Kampf gegen den Ölteppich an der Küste immer wichtiger, sagte die Verantwortliche Mary Landry von der US-Küstenwache. Sie äußerte allerdings Besorgnis wegen der nahenden Hurrikan-Saison. „Die Herausforderung ist das Wetter.“

In den letzten Wochen konnte wegen der guten Witterung viel Öl von der Meeresoberfläche abgeschöpft oder verbrannt werden. Hurrikane könnten aber das Öl weiter in das ökologisch höchst anfällige Marschland am Mississippidelta pressen. Die Hurrikansaison beginnt am Dienstag.