Ein ganz ausgekochter Stahlkocher

Alexej Mordaschow ist ein Mann mit weichem Gesicht, dem es nicht liegt, dick aufzutragen. Aber er ist ein Macher: Der Jungunternehmer aus dem nordrussischen Tscherepowez steht kurz davor, Haupteigentümer des größten Stahlkonsortiums der Welt werden. Für die Wirtschaftswelt überraschend hat seine Stahlhütte SeverStal den indisch-britischen Weltmarktführer Mittal Steel übertrumpft und ihm den luxemburgischen Konzern Arcelor vor der Nase weggeschnappt.

Alexej Alexandrowitsch Mordaschow gehört zu jenen superreichen Oligarchen, die sich im Zuge der Privatisierung der russischen Wirtschaft die Filetstücke des Staatsvermögens unter den Nagel reißen konnten. Das Volk verachtet sie, und auch der Kreml kann sich für die meisten Superreichen nicht erwärmen. Alexej Mordaschow macht jedoch eine Ausnahme. Der 40-Jährige ist ein Vorzeigeunternehmer nach dem Geschmack von Kremlchef Wladimir Putin: Er zahlt Steuern und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung, indem er Sozial- und Kultureinrichtungen, Wohnungen und den betriebseigenen Eishockeyclub finanziert wie einst das sozialistische Hüttenkombinat. Wichtiger noch: Mordaschow strebt keine eigenständige politische Rolle an. Aber er sitzt im Vorstand des Kreml-hörigen russischen Unternehmerverbandes und ließ sich von Putin mit dem Vizevorsitz der deutsch-russischen strategischen Arbeitsgruppe betrauen.

Schon während des Ökonomie-Studiums an Leningrads Togliatti-Hochschule hatte Mordaschow Anatoli Tschubais, den Vater der russischen Privatisierung, und den jetzigen Finanzminister Alexander Kudrin kennen gelernt. Nach dem Abschluss ging er jedoch zurück in die Heimat und arbeitete im Stahlwerk. Mit 27 wurde er Finanzchef, mit 31 war er Chef des Kombinats und Besitzer der Aktienmehrheit.

Was zwischen diesen Daten geschah, entspricht nicht ganz der Selbsteinschätzung des Unternehmers, „immer ein korrekter Junge“ gewesen zu sein. Als Finanzchef SeverStals nutzte er Insiderwissen. Er gründete SeverStal invest, ein Unternehmen, das die Aktien der Beschäftigten aufkaufte und Stahl vom Mutterkonzern für weniger als den Herstellerpreis erstand. Am Ende hatten Mordaschows Komplizen über 80 Prozent der Aktien, 17 Prozent hielt der Finanzjongleur direkt, 30 Prozent dirigierte er laut Troika Dialog Bank indirekt.

„Ohne Perestroika wäre ich Parteifunktionär geworden“, sagt der ehemalige Komsomol-Aktivist. Das ist kein Widerspruch: Denn nur in Personalunion oder Schulterschluss mit der Politik lässt sich in Russland wirklich Geld verdienen.

KLAUS-HELGE DONATH

wirtschaft und umwelt SEITE 7