Ich bin ein Hauptberliner

Hartmut Mehdorn bekennt sich endlich zum offiziellen Firmensitz der Bahn – wenn auch nur zähneknirschend

Hartmut-Bahnchef Mehdorn ist nicht nur ein Visionär. Sondern auch ein Seher. Anders als weiland im Mittelalter bezieht Mehdorn seine seherische Kräfte aber nicht aus den Eingeweiden irgendwelcher Opfertiere. Hartmut-Bahnchef Mehdorn nutzt für sein Sehertum vielmehr die Innereien von Opferbahnhöfen.

Zum Beispiel gestern: Aus den Innereien des Berliner Hauptbahnhofs las Hartmut-Bahnchef Mehdorn den Zustand unserer Gesellschaft ab. In den Tiefen des Raums sah Hartmut-Bahnchef Mehdorn ein „Symbol deutscher Wiedervereinigung“ – endlich ist’s vollbracht! – ein „Jahrhundertbauwerk europäischer Dimension“, – klar: Die Welt zu Gast bei Freunden! – ja, sogar ein „Quantensprung für optimale Mobilität“.

Tusch, Jubel, Lichtshow.

Natürlich kann man in den Innereien des Hauptbahnhofs noch viel mehr lesen. Zum Beispiel, dass die bundesrepublikanische Demokratie ganz schön auf den Hund gekommen ist. Wie denn bittschön der neue Bahnhof heißen soll, fragte einst Hartmut-Bahnchef Mehdorns Unternehmen seine Kunden in Berlin. Die entschieden sich nach kurzem, engagierten Wahlkampf für b): Lehrter Bahnhof.

Und? Wie heißt die Station heute? „Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof“. Das Kalkül Hartmut-Bahnchef Mehdorns PR-Maschinerie ist natürlich völlig klar: So lange alles ab dem Bindestrich weglassen, bis sich an Volkes Votum niemand mehr erinnert. „Liebe ist käuflich“ liest man in des Bahnhofs Innereien: Noch keine fünf Monate ist es her, dass Hartmut-Bahnchef Mehdorn laut über einen Umzug nach Hamburg nachdachte.

So laut, dass im pleiten Berlin ganze Alarmglockentürme läuteten. Mit der Bahn verlöre Deutschlands Hauptstadt nämlich den größten gewerblichen Steuerzahler.

Es ist nicht bekannt, was die Berliner Politiker Hartmut-Bahnchef Mehdorn zu Füßen legten – nun nämlich hat er sein Sponsorenherz für die Hertha BSC entdeckt und nennt es „die geborene Verbindung“.

In der Tat: Es gibt nicht viele deutsche Profiklubs, bei denen in der letzten Saison die Verteidiger so oft zu spät kamen, wie beim neuen Werbeträger der Bahn. Was sich daraus für den neuen Fahrplan lesen lässt?

NICK REIMER