„Wie eine Vase im Museum“

VORTRAG Regisseur Peter Konwitschny erteilt Nachhilfe über lebendiges und totes Theater

■ wurde für seine polarisierenden Inszenierungen mehrfach zum Regisseur des Jahres gewählt

taz: Herr Konwitschny, sehen Sie sich selbst als Vorbild für lebendiges Theater?

Peter Konwitschny: Ja.

Sie sind vor allem durch Opern-Inszenierungen bekannt …

Aber was ich beispielhaft zum Musiktheater sage, gilt auch für das Sprechtheater.

Das kann man übertragen?

Sicher. Die Frage ist, ob ein Regisseur es versteht, uns einen älteren Gegenstand in der Botschaft wieder nahezubringen. Es geht darum, dass eine Inszenierung sich nicht in Schnick-Schnack, nettem Design oder schönen Tönchen erschöpft. Ein Stück muss mit dem Leben derer angefüllt sein, die es machen.

Ein Stoff muss immer auch ins Jetzt transportiert werden?

Ja. Das macht auch jeder Leser eines Romans. Irgendwann muss er spüren, was das mit ihm zu tun hat.

Wenn man Shakespeare klassisch inszeniert – ist das tot?

Ja. Ganz eindeutig. Das ist wie eine Vase im Museum. Das ist tot …

und in dieser Form auch nicht wiederzubeleben?

Nein.

Haben es zeitgenössische Opern da leichter?

Mich interessieren mehr die alten Stücke. Da gibt es eine Rezeptionsgeschichte. Die ist in 90 Prozent der Fälle eine Entstellung der eigentlichen Absichten des Stückes. Das kommt von der bürgerlichen Zeit, durch die es hindurchgegangen ist, etwa bei „Fidelio“ oder dem „Freischütz“. Wenn man wieder auf das Stück selbst zugeht, kommt der wunderbare Effekt, dass man es nicht wiedererkennt.

Der erschließt sich aber nur jenen, die auch andere Inszenierungen kennen.

Ein Stück weit schon, wie bei Romanen oder Gedichten auch. Aber es ist nicht Voraussetzung. Es können auch Leute, die das Stück zum ersten Mal sehen, ihre Freude daran haben. Aber die Leute müssten eigentlich Anfangsproben sehen. Und: Man muss an die Erfahrungswelt der jungen Menschen anknüpfen, auch in der Sprache.

Was halten Sie vom gegenwärtigen Bremer Theater?

Dazu kann ich nichts sagen. Ich war 1994 zuletzt da – und seitdem nie wieder. Ich bin überall und nirgends. INT.: MNZ

19 Uhr, Neues Schauspielhaus