Köhler und der Krieg

WAS SAGT UNS DAS? Der Bundespräsident spricht aus, was alle wissen – und erntet Entrüstung

Wie schön für die Opposition, dass Spiegel Online fünf Tage nach dem Ereignis noch diese Steilvorlage bot

Große Aufregung: Bundespräsident Horst Köhler hat nach einer Stippvisite in Afghanistan gesagt, Deutschland müsse als Exportnation im Zweifel auch die Bundeswehr zur Wohlstandssicherung einsetzen! Köhlers Äußerungen „sind brandgefährlich“, findet Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt. Köhler schade der Akzeptanz der Auslandseinsätze, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Die Linke fordert ein neues Afghanistanmandat.

Wie schön für die Opposition, dass Spiegel Online fünf Tage nach dem Ereignis noch diese Steilvorlage bot. Denn was der Bundespräsident am Samstag im Deutschlandradio erklärte, lässt Neuigkeitswert eigentlich vermissen. Radioredakteur Christopher Ricke, der Köhler auf der Kurzreise nach Masar-i-Scharif begleitete, fragte auf dem Rückflug in der Staatsmaschine „Theodor Heuss“: „Brauchen wir ein klares Bekenntnis zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung und vielleicht auch einen neuen politischen Diskurs?“

Der Bundespräsident antwortete: „Nein, wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen.“ Es folgen Ausführungen zur Ambivalenz des Einsatzes, und: „Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen“ – Stichworte: „Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“

Der Bundespräsident stellt den Zusammenhang zwischen Afghanistaneinsatz und wirtschaftlichen Interessen also wenn, dann bloß indirekt her. „Im Notfall“ – nicht unbedingt in Afghanistan also – müssten zur wirtschaftlichen Interessenwahrung auch Truppen entsendet werden. Genau dies aber entspricht seit Jahren der offiziellen deutschen Beschlusslage. Im Weißbuch 2006, dem vom Bundestag abgesegneten Handbuch zu Sicherheitspolitik und Bundeswehr, steht: Ziel ist, „den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern“. Die konsequente Einsatzorientierung der Bundeswehr dient der Sicherung von Transportwegen und Ressourcen. Unter anderem. Hand hoch, wer davon wirklich überrascht ist. UWI