Die üblichen Verdächtigen

COMING-OF-AGE Möchtegernräuber mit Plastikwaffen: In Christian Frascellas „Sieben kleine Verdächtige“ zeigen sich die Schwierigkeiten des zweiten Werks

Der Titel des Romans ist Programm: „Sieben kleine Verdächtige“. Wenn da nicht die sieben Weltwunder ebenso anklingen wie die sieben Zwerge. Die Verortung in großer Geschichte, hübsch ironisch auf das Niveau des Märchens heruntergebrochen.

Sieben kleine Verdächtige … Und gleich ihr erstes Problem ist, dass niemand sie verdächtigt. Sie planen, die Bank in ihrem Kaff Roccella zu überfallen mit Plastikwaffen und Pappmaske, diese sieben Möchtegernräuber, die mehr von den Comic-Daltons haben als von deren realem Gegenstück. Niemand würde sie je verdächtigen, so ihre Überlegung, weil es noch nie derart junge Bankräuber gegeben habe. Stimmt.

Was sie vergessen: Es würde sie niemand verdächtigen, weil sie gegen die echten Unterweltgrößen einfach abstinken können, weil sie viel zu harmlose, gute Jungs sind. Das hätte echtes Potenzial, entweder irre komisches oder als klassischer Entwicklungsroman. Frascella verschenkt es. Was herauskommt, ist ein fast ärgerlicher Roman, der nur von wenigen überzeugenden Stellen durchbrochen wird – die das Ganze dann noch ärgerlicher machen, weil sie zeigen, dass Frascella das Zeug gehabt hätte, mehr aus der Story herauszuholen.

Der Reihe nach: Die sieben Jungen, „alle etwa zwölf Jahre alt“, wollen und müssen ihr Leben ändern, was bekanntlich nicht ohne Geld geht. Da sechs von ihnen aus Familien mit eher prekärem Hintergrund stammen und nur einer aus gut situiertem, jedoch unglaublich strengem Elternhaus kommt, soll besagter Bankraub die Lösung bringen. Doch nach mühseliger Planung werden sie von „erwachsenen Gangstern“ übertölpelt. Daraufhin machen sie im Schnellverfahren ihren inneren Reifeprozess durch: Geld ist nicht alles, man kann sich auch in ein dickes Mädchen verlieben, und worauf es im Leben ankommt, ist, mit sich im Reinen zu sein. Es folgt der obligatorische Showdown, der übelste Ganove erweist sich als Undercover-Agent, ein Junge verkuppelt seine sitzen gelassene Mutter mit einem Dorfbewohner, und wenn sie nicht gestorben sind, dann …

Bereits in seinem Debüt, „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“, hat der 1973 geborene Frascella sich in einem Stil versucht, in dem er Schnoddrigkeit mit ausgestellter Bildung verknüpfte: Seine Schwester ist nicht einfach eine Robbe, sondern eben eine Mönchsrobbe. Das hat bei dem Icherzähler dieses Romans noch ganz gut funktioniert und dem Autor in Italien mehrere Preise sowie hierzulande die Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis eingebracht.

Diesmal hat er sich jedoch gleich sieben Knirpse vorgenommen, und sein Erzähler schlingert irgendwo zwischen personal und auktorial. Dann reden Kinder von „Hirnlosen Spacken“, feuern sich mit „Ihr habt ’ne ganz schöne Traute gehabt!“ an, ist ein Safe einerseits unbekannt, die Blisterpackung und der Kasack andererseits zur Hand.

Nicht, dass Frascella eine Kunstsprache kreiert, ist ihm vorzuwerfen – in der Übersetzung zerfällt sie noch einen Tick stärker in die beiden Extreme –, sondern dass diese Sprache im Text nicht verwurzelt ist, die Figuren damit blass bleiben. Diese Unentschlossenheit setzt sich im Aufbau fort: Ziemlich offensichtlich werden Botschaften vermittelt – in Italien ist jeder verloren, mag er nun ein Fußballgott sein oder an Darmkrebs erkrankt, die Hoffnung liegt immer jenseits der Alpen –, die wohl an über Zwölfjährige gerichtet sind. Die Jungen selbst werden eher vorgeführt denn als Charaktere entwickelt; eine der wenigen Ausnahmen ist die Situation, in der sie gemeinsam einen Liebesbrief schreiben, wo sie so cool und erwachsen sein möchten und doch so naiv sind. Dies auszuarbeiten wäre reizvoll gewesen.

Nach seinem Debüt 2009 hat Frascella in rascher Folge weiter publiziert, im April dieses Jahres auf Italienisch seinen vierten Roman. Und zumindest dem Zweitling ist das Tempo nicht gut bekommen. CHRISTIANE PÖHLMANN

Christian Frascella: „Sieben kleine Verdächtige“. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2013, 320 Seiten, 22,90 Euro