Glückauf in die Zukunft

TIEF GRABEN Warum Bergbau ein Studiengang mit guten Berufsperspektiven bleibt

■ Studiengang: Rohstoffingenieurwesen (Bachelor). Hochschule: RWTH Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (Aachen), rwth-aachen.de

■ Studiengang: Rohstoffingenieur (Bachelor). Hochschule: Technische Fachhochschule Georg Agricola (Bochum), gb.tfh-bochum.de

■ Studiengang Energie und Rohstoffe (Bachelor). Hochschule: Technische Universität Clausthal, studium.tu-clausthal.de

■ Studiengang: Geotechnik und Bergbau (Diplom-Ingenieur). Hochschule: Technische Universität Bergakademie Freiberg, tu-freiberg.de (mh)

VON MIRKO HEINEMANN

Seine faszinierendste Berufserfahrung machte Reik Winkel bei einem Praktikum in einer chilenischen Kupfermine. „Dort arbeiteten 10.000 Menschen, und das Ingenieurverständnis war ein völlig anderes als in Deutschland“, berichtet er. Denken in Ursache und Wirkung sei wenig ausgeprägt gewesen, selbst grundlegende Dinge habe man erklären müssen. „Etwa, wie man ein Netzwerkkabel anschließt oder dass man nicht beliebige Materialien einfach ohne Vorbereitung aneinanderschweißen kann.“ Ursache sei die fehlende Techniktradition in den Familien und der Gesellschaft, glaubt Winkel. Während in Deutschland Technikwissen über Generationen weitergegeben werde, seien die Ingenieure dort oftmals Pioniere. „Die machen das zum ersten Mal.“

Zwei Jahre lang verbrachte Reik Winkel in der Praxis, neun Betriebe lernte er im Laufe seines Studiums an der RWTH Aachen kennen, darunter eine Ölfirma und ein Salzbergwerk. „Das Bergbau-Studium ist unglaublich vielseitig“, schwärmt er. Heute führt er seine eigene Firma mit 25 Mitarbeitern, die Sicherheits- und Automatisierungslösungen auf Radarbasis für den Einsatz im Bergbau herstellt und vertreibt. Ein globaler Player: 80 Prozent des Umsatzes werden außerhalb von Europa erzielt.

Eine Ausbildung im Bergbau? Das mag zunächst überholt klingen. Tatsächlich spielt die Rohstoffgewinnung in Deutschland nicht mehr die Rolle, die sie einst innehatte. Steinkohlegruben sind zum Museum umfunktioniert, der Metallerzbergbau ist bereits vollständig zum Erliegen gekommen. Das erste deutsche Bergwerk, das nach 40 Jahren wieder neu eröffnet wurde, ist ein Bergwerk bei Oberwiesenthal im Erzgebirge. Dort sollen künftig unter Tage Fluss- und Schwerspat gefördert werden.

Global sieht das jedoch anders aus: Rund 70 Prozent aller Rohstoffe, die in Industrie und Handwerk verwendet werden, werden durch Bergleute gewonnen. Daher hat das Bergbaustudium den Ruf, einer Jobgarantie gleichzukommen – wenn man in der Lage ist, global zu denken. Denn deutsches Know-how ist weltweit gefragt. Absolventen kommen vor allem in der Zulieferindustrie unter, bestätigt Reik Winkel. Wer etwa Maschinen für den Bergbau verkaufen möchte, muss die Bedürfnisse vor Ort kennen und wissen, was gefragt ist. Bergbauingenieure werden auch von Finanzinvestoren gesucht. „Wer eine Grube aufschließen möchte, braucht Geld“, so Winkel. „Viele Banken haben ausgebildete Bergbauingenieure als Berater, ihre Expertise ist gefragt.“

Wer von der Erschließung neuer Vorkommen etwa von Seltenen Erden mit exotischen Namen wie Lanthan, Cer, Neodym, Praseodym oder Samarium träumt, wird angesichts der Realität ernüchtert sein. Seltene Erden, die vorwiegend in China abgebaut werden und beim Bau von Handys und Computern verwendet werden, spielen angesichts der winzigen Mengen, in denen sie vorkommen, nur eine kleine Rolle. Die mit Abstand größten Volumina sind Baustoffe wie Kies, Sand, Kalk. Es folgen Kohle, Eisenerz und Kupfererz.

Wer durch das Studium kommen will, darf kein Mathematikmuffel sein. Zwar spielt Mathe im Verhältnis zu Fächern wie Maschinenbau eine kleinere Rolle, beherrscht werden muss das Fach trotzdem. Dazu kommen zahlreiche Disziplinen wie Geowissenschaften, Recht, Projektkalkulation, Markscheidewesen, also Vermessungstechnik und Maschinenbau. „Mich hat überrascht, wie facettenreich das Studium ist“, erklärt Winkel. Vor allem im Vergleich mit eher theoretisch ausgerichteten Studiengängen wie Physik oder Chemie stehe im Bergbau die Anwendung in der Praxis im Vordergrund. In Freiberg in Sachsen können angehende Bergbauingenieure sogar in einer universitätseigenen Zeche lernen. Die Silbermine „Reiche Zeche“ wird seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Lehrbergwerk genutzt.

Ein ideales Studium also für technisch begabte Tüftler, für die nicht das Detail im Vordergrund steht, sondern das große Ganze. „Während der Maschinenbauer womöglich die Beschichtung für ein spezielles Einzelteil konstruiert, überblickt der Bergbauingenieur die Maschine und erklärt, was daran verbessert werden kann“, so Winkel. In der Bergwerkstechnik rückt der Umweltschutz immer stärker in den Vordergrund, auch hier liegt ein mögliches Tätigkeitsfeld für deutsche Bergbauingenieure.

Die Verkürzung des Studiengangs vom Diplomingenieur zum Bachelor, wie in Aachen, sieht Reik Winkel mit Skepsis. Erfahrung und Vielseitigkeit seien die wichtigsten Eigenschaften für einen frisch gebackenen Ingenieur, findet er. Und die erlange man nur durch die Praxis. „Man sollte lieber viele unterschiedliche Praktika und ein Auslandssemester einlegen, bis man weiß, wovon man redet – auch wenn man zwei Semester länger studiert. Dann tritt man auch überzeugender auf.“