Guerillabekämpfung oder Putschprävention?

PARAGUAY Einen Monat lang suchten Soldaten eine Phantomguerilla. Die Frage ist, wem das nützt

PORTO ALEGRE taz | Es war der seltsamste Ausnahmezustand in der Geschichte Paraguays. 30 Tage lang durchkämmten gut 3.300 Soldaten und Polizisten den weitläufigen Norden des Landes. Vor allem im Grenzgebiet zu Brasilien suchten sie nach den Angehörigen des „Paraguayischen Volksheers“ (EPP), und das auf Geheiß des linken Präsidenten Fernando Lugo.

Nun wurde die Maßnahme wieder aufgehoben. Innenminister Rafael Filizzola sagte, die Sicherheit in den fünf betroffenen Provinzen sei erhöht, 167 Menschen seien festgenommen worden. „Das EPP ist ein Feind der Demokratie, wir werden nicht müde, bis wir es besiegt und alle Mitglieder gefangen genommen haben“, gab sich Lugo kämpferisch, selbst „mächtige Länder“ seien jahrzehntelang erfolglos auf der Suche nach „Terroristen“.

Schlagzeilen machte die Mission, als 350 Soldaten im Dorf Jhuguá Ñandú eine Geburtstagsfeier stürmten, auf der sie eine Guerillera vermuteten. Das 15-jährige Geburtstagskind lag auf dem Boden, den Lauf eines Sturmgewehrs am Kopf. Wenig später stürmten Soldaten die örtliche Polizeistation.

Hinter diesen grotesk anmutenden Szenen verbirgt sich eine explosive Gemengelage. Seit Jahren kolportiert die Presse Gerüchte über Verbindungen des „Volksheers“ zur kolumbianischen Farc-Guerilla. Großgrundbesitzer und Mafiosi in dem dünn besiedelten Schmugglerparadies möchten die Hysterie um die angeblichen Rebellen für ihre eigene Zwecke nutzen, aber auch Politiker in der Hauptstadt Asunción. Lugo habe den Ausnahmezustand auch verhängt, um einem Staatsstreich von rechts zuvorzukommen, lautet eine plausible Erklärung.

Die Verfolgung sozialer Bewegungen nehme zu, bestätigt ein Aktivist der taz; der „Mythos EPP“ sei dafür ein willkommener Vorwand. „Diese Guerilla ist ein Scherz, es sind nicht mehr als 20 Leute, das sagen ja die paraguayischen Behörden selbst“, meint auch Marco Aurélio Garcia, der außenpolitische Berater von Brasiliens Präsident Lula da Silva. Einige von ihnen, und das mag Lugos Vehemenz erklären, waren allerdings früher wie er selbst in linkskatholischen Basisgemeinden aktiv.

„Wir müssen der Sache auf den Grund gehen, die Mafia, das organisierte Verbrechen angreifen“, fordert José Ledesma, der Gouverneur von San Pedro. Das möchte auch Fernando Lugo. Anfang Mai traf er sich mit Lula an der Grenze und vereinbarte eine engere Zusammenarbeit. Mit Erfolg: Tage später nahmen die Paraguayer einen brasilianischen Drogenboss fest. GERHARD DILGER