Staatliche Stellen haben eklatant versagt

PHILIPPINEN Die Kritik an der chaotischen und inkompetenten Katastrophenhilfe der philippinischen Regierung wächst. Präsident Aquino ist genervt und fällt Behördenvertretern ungehalten ins Wort

BANGKOK taz | Präsident Benigno Aquino steht unter massivem Druck. Er, der stets gelassen wirkt und ein breites Lächeln zur Schau trägt, gab sich äußerst unwirsch. Während seines Besuchs am Sonntag in der Stadt Guiuan auf der östlichen Insel Samar schnitt er den lokalen Behördenvertretern regelrecht das Wort ab: „Lasst uns unverzüglich darüber sprechen, was benötigt wird, und es entsprechend in die Tat umsetzen“, erklärte er. Es ist sein zweiter Aufenthalt in der Krisenregion, seit der Taifun „Haiyan“ vor zehn Tagen die Zentralphilippinen verwüstet hatte. Aquino, der anschließend in die zerstörte Stadt Tacloban weiterreiste, sicherte den Opfern zu, er werde so lange in der Region bleiben, bis sich Fortschritte zeigten. Seine Regierung werde alles tun, um zu helfen.

Die Menschen dürften diesen Beteuerungen wenig Glauben schenken. Denn die Regierung in Manila ist wegen ihres miserablen Krisenmanagements massiv in die Kritik geraten. An Hilfsangeboten aus aller Welt mangelte es nicht, doch haben Absprachen innerhalb einzelner Regierungsstellen nicht funktioniert. So hatten Sturmopfer tagelang warten müssen, ehe sie mit dem Nötigsten versorgt wurden. In abgelegenen Gegenden waren es die Hubschrauber der zu Hilfe gerufenen US-Armee, welche die dortige Bevölkerung als Erste erreichten. Und noch immer hungerten viele Menschen in abgeschnittenen Regionen, warnte die UNO. Erst langsam wird das ganze Ausmaß sichtbar: Laut aktueller Angaben des Katastrophenschutzes vom Sonntag kamen knapp 4.000 Menschen ums Leben. Zudem hätten rund 4 Millionen Bewohner ihr Zuhause verloren, das wären doppelt so viele wie noch am Tag zuvor angenommen.

Eduardo del Rosario, Chef des Katastrophenschutzes, räumte ein, dass die Philippinen auf ein solches Desaster nicht vorbereitet waren. Pläne für Evakuierungen sowie Nothilfe sind ausgelegt auf Dörfer beziehungsweise kleine Distrikte, aber nicht auf ganze Regionen, wie jetzt nach dem Wüten des Taifuns „Haiyan“. Wenn dazu noch die lokalen Strukturen wie Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser zerstört sind, hätte die Zentralregierung so schnell wie möglich einspringen müssen. Doch Manila schiebt die Verantwortung den Lokalverwaltungen zu.

Präsident Aquino, seit Juli 2010 im Amt, hatte versprochen, Armut und Korruption auszumerzen. Doch das gilt als unmöglich im philippinischen Feudalsystem. Seine Popularität ist nicht erst seit „Haiyan“ angekratzt. Ende August hatten Zehntausende Menschen gegen den Missbrauch öffentlicher Gelder aus einem Fonds für Entwicklungsprojekte zwischen 2007 und 2009 protestiert. Aquino hatte zugesagt, das Vergabesystem von Entwicklungsgeldern zu reformieren. Doch die Demonstranten forderten, den Fonds gänzlich abzuschaffen. Sie kritisierten, dass der Präsident in Zusammenhang mit Korruption nur die Vorgängerregierung als Schuldige benenne. Obwohl Beweise fehlen, wird auch Aquino vorgeworfen, er habe Gelder, die für Investitionen in lokale Infrastrukturen gedacht waren, dazu verwendet, sich die Loyalität bestimmter Senatoren zu erkaufen. NICOLA GLASS