Der Kieler Dienst am Rechtssystem

NS-MORDPARAGRAF

„Einstimmige Kenntnisnahme“ – das, aber auch nicht mehr, hatten die zur Herbsttagung versammelten JustizministerInnen für die Initiative ihrer schleswig-holsteinischen Kollegin übrig. Anke Spoorendonk (SSW) will den seit 1941 geltenden Mordparagrafen neu fassen – wäre das nicht einer „Begrüßung“ oder gar „Unterstützung“ wert? Schließlich steckt hinter dessen Definition der Wesensmerkmale eines Mörders – etwa „heimtückisch“, „grausam“, „habgierig“ – nicht nur ein sprachliches oder historisch-hygienisches Problem. Er ist vielmehr ein paradoxes Fossil im Rechtssystem der BRD, das in der Praxis immer wieder zu komplizierten und unsystematischen Urteilskonstruktionen zwingt.

Denn: Wer einen Anderen hinterrücks umbringt, müsste eigentlich als „heimtückisch“ und somit als „Mörder“ verurteilt werden. Doch für Mord verlangt das Gesetz als Strafe lebenslänglich. In vielen Fällen, in denen sich etwa schwer gedemütigte Frauen zur Wehr setzen, kann das kaum als angemessen gelten. Deshalb müssen die Gerichte bei der Straffestlegung „juristische Eiertänze“ aufführen, wie Stefan König, Vorsitzender des Strafrechts-Ausschusses im Deutschen Anwaltsverein, formuliert. Spoorendonk, als erste Dänin in einem deutschen Ministeramt, hat eine wichtige Initiative gestartet – der sogar geografisch eine gewisse Logik innewohnt. Schließlich waren es die Juristen der „Kieler Schule“, die in den 30ern maßgeblich an der Umformung des Strafrechts im Sinne des NS-Staates mitwirkten.  HB