DAS DEUTSCHE FERNSEHEN IST HINTER MIR HER. ES IST WIE BEI DEN „SIMPSONS“, DIE VON DER SESAMTRASSEN-GANG VERFOLGT WERDEN
: Nach nur einem Spot geht’s weiter

FERNSEHEN

Da fliegt man nach Sotschi, weit weg von zu Hause – und plötzlich sitzt der rundbebrillte „Auslandsjournal“-Moderator beim Frühstück neben einem und isst sein Obst. Ich merke sofort, dass hier etwas nicht stimmt. Und ich denke an die „Simpsons“-Folge, in der Bibo, Elmo, Ernie und Bert aus der Sesamstraße Homer verfolgen, um eine Spende zu kassieren.

Als ich dann nachts mit dem Taxi beim Hotel vorfahre, geht wer vor mir durch die Drehtür? Richtig, Bibo Koll, der „Auslandsspion“-Moderator. Der nächste Tag auf einer Burg, die ein kaukasisches Erlebnisrestaurant ist: „Guten Abend“, tönt es plötzlich hinter uns. Theo und seine Crew sind wieder da. Pünktlich wie die Sesamstraßen-Nachrichten. Das kann doch kein Zufall sein.

Sotschi ist der längste Ort Europas. 145 Kilometer zieht sich diese Stadt an der Kurort-Straße entlang – und Koll taucht ausgerechnet um diese Zeit in diesem Restaurant auf?! Treibt das ZDF jetzt die Rundfunkbeiträge ein? Sogar im Ausland? Übernehmen die Mainzer Aufgaben des russischen Inlandsgeheimdienstes? Wie tief hängen sie drin in der Abhöraffäre um NSA, GCHQ, FSB, ADAC und PVC? Muss Theo nicht nach Lodz?

Ich wünschte mir, Koll würde beim österreichischen Privatfernsehen arbeiten. Dann hätte der Superspion vom Lerchenberg keine Zeit für seine heimlichen Schnüffeleien. Dann würde eine Sendung „Auslandsjournal“ nämlich eine Woche dauern. Sie verliefe ungefähr so: „Guten Abend, meine Damen“ … Werbung … „und Herren, herzlich Willkommen“ … Werbung … „zum ‚Auslandsjournal‘.“ Jetzt wären schon die ersten 20 Minuten vorbei. Es folgten: Ein Beitrag aus Syrien, Werbung, Kolls Modera…Werbung …tion, ein Beitrag aus Lampukistan, Werbung, Bibo, Werbung, Beitrag aus … Werbung … China, dann noch ein bisschen Werbung während der Werbung und ein Verbrauchertipp von Theo Koll, unterbrochen durch eine kurze Werbepause („nach nur einem Spot geht’s weiter“). Schon wären sieben Tage um und eine neue Folge „Auslandsjournal“ könnte beginnen.

Das österreichische Privatfernsehen muss so etwas wie das Fegefeuer sein, durch das jeder Privatfernsehlobbyist mal gescheucht werden müsste, um zu erkennen, wie schön es ist, dass die Werbezeit in Deutschland begrenzt ist. Aber vielleicht musste Koll ja auch einfach mal raus. Vielleicht waren unsere Begegnungen wirklich Zufall. Vielleicht musste er sich schlicht davon erholen, dass zuletzt sogar die ARD auf das ZDF einprügelte: Es ging um die vermeintlich zu große Staats- und Parteinähe beim Zweiten. Am Bundesverfassungsgericht wurde verhandelt. Die ARD schickte natürlich den eigenen Anwalt hin, um sich erst den Prozess anzuschauen, anschließend in die Kamera zu säuseln, dass das bei den ARD-Anstalten alles viel staatsferner sei – und den ganzen Kram dann um 20 Uhr bei der „Tagesschau“ zu zeigen.

Montag Barbara Dribbusch Später

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Martin Reichert Erwachsen

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Freitag Deniz Yücel Besser

Für solch ein ekelhaftes Stück Fernsehscheinheiligkeit gehört man mit österreichischem Privatfernsehen bestraft. Heute morgen fehlte Theo Koll beim Frühstück. Er ist wieder abgereist. Er hat wohl gemerkt, dass er enttarnt wurde.