Kein Präsident auf Lebenszeit für Nigeria

Parlament stimmt gegen Verfassungsänderung, die Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo die Kandidatur für eine dritte Amtszeit bei den Wahlen 2007 ermöglicht hätte. Das Volk war dagegen, der Streit hatte die Krise des Landes vertieft

AUS LAGOS HAKEEM JIMO

In Nigerias Parlament spielen sich zuweilen denkwürdige Szenen ab. Einmal wurden in einem großen Haufen Geldbündel aufgeschüttet, mit denen die Vertreter des nigerianischen Volks angeblich bestochen werden sollten. Hin und wieder prügeln sich die Parlamentarier. Aber am Dienstagabend lag sich eine Mehrheit der Senatorinnen und Senatoren überschwänglich in den Armen. Soeben hatten sie das Aus für eine Verfassungsänderung beschlossen, die Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo ermöglicht hätte, entgegen den bisherigen Verfassungsbestimmungen nächstes Jahr für eine dritte gewählte Amtszeit zu kandidieren. Der Freudentaumel übersprang alle ethnischen Herkünfte und auch das Staatsfernsehen NTA konnte seine Sympathie für die Gegner des Präsidenten nicht verbergen. Die Abendnachrichten brachten eine endlose Schlange der Jubelnden. „Wie immer gibt es einen Gewinner und einen Verlierer“, sagte Senator Mark David: „Der Gewinner heute heißt Demokratie.“

Und der Verlierer? „Präsident Obasanjo“ würde eine Mehrheit der NigerianerInnen antworten. In einer Umfrage der Lagoser Tageszeitung Sun lehnen über 70 Prozent der Bevölkerung eine dritte Amtszeit für den Staatschef ab. Die Art, wie das Projekt Verfassungsänderung in den vergangenen Monaten lanciert wurde, hat das konfliktreiche Nigeria weiter gespalten und an den Rand einer weiteren politischen Krise gebracht.

Bei „Anti-Third-Term“-Protesten, wie die Bewegung gegen die Amtsverlängerung genannt wird, gab es sogar Tote. Zwar hat der Präsident nach wie vor nicht ein einziges Mal öffentlich seine Absicht erklärt, ein dritte Amtszeit zu erwirken. Aber auch so sorgte das Treiben seiner Anhänger dafür, dass seine Sympathiewerte, die er vor allem international genoss, absackten.

1979 hatte Obasanjo als erster Militärmachthaber Nigerias freiwillig die Regierungsgewalt an einen gewählten Zivilisten abgegeben; unter den neuen Militärdiktaturen der 90er-Jahre war er zeitweise inhaftiert, und bei Nigerias Rückkehr zur Demokratie 1999 genoss er hohes Ansehen und wurde als Zivilpräsident gewählt. Aber in den vergangenen Monaten musste der Ende-sechzig-Jährige sich des Öfteren Kritik anhören, dass er ähnlich an der Macht klebe wie so viele afrikanische Staatschefs: zuletzt Yoweri Museveni in Uganda oder Idris Déby im Tschad, die die Verfassungen ihrer Länder änderten, damit sie länger als zwei gewählte Amtszeiten regieren dürfen. Ein nigerianischer Abgeordneter wetterte: „Wenn Obasanjo eine Verfassungsänderung durchbekommt und eine dritte Amtszeit erhält, haben wir einen Präsidenten auf Lebenszeit.“

Das politische Klima in Nigeria hatte sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Sei es die Pogromstimmung zwischen Muslimen und Christen, seien es die bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Erdölregion des Niger-Flussdeltas – alle Konflikte wurden auch mit dem Streit um die dritte Amtszeit in Verbindung gebracht.

Berichte von Bestechungsversuchen an Parlamentariern machten die Runde. Mehrere Abgeordnete berichteten, ihnen wurden umgerechnet mehr als 300.000 Euro angeboten, würden sie für eine Änderung der Verfassung stimmen. Es gab Berichte von Einschüchterung und politischem Kuhhandel.

Befürworter einer Amtsverlängerung führten ins Feld, dass die Fortsetzung der umfangreichen und international gewürdigten Reformen Obasanjos, wie der Kampf gegen Korruption, von seinem Verbleib abhängig sei. Auch sehen viele kaum einen anderen Politiker in Nigeria, der in dem gespaltenen Land eine wirkliche Integrationskraft besitzt. Tatsächlich bringen sich schon wieder die alten Kader aus den Zeiten der Militärherrschaft in Stellung – Exgeneräle, die weiter mit ihrem gestohlenen Vermögen die Politik beeinflussen. Allen voran Ibrahim Babangida, der Nigeria 1985–93 regierte und nächstes Jahr gerne zu Wahlen antreten würde.

Nur die wenigsten rechnen damit, dass es mit dem Abwürgen der Verfassungsänderung mit einem Schlag wieder ruhig in der politischen Landschaft Nigerias wird. Denn das Rennen um die Präsidentschaft Anfang 2007 ist nun offen. Ohne Obasanjo könnte nun eine echte, spannende Wahl stattfinden.