Eine Kampfansage an die EU

Polens Rechtskoalition hat ein wahres Horrorkabinett zusammengeschmiedet. Seine Mitglieder werden jede Chance nutzen, sich mit antieuropäischer Rhetorik zu profilieren

Die ländlichen Räume im Osten und Nordwesten Polens profitieren bislang nicht von der EU

Zur Freude besteht kein Anlass. Zwar hat Polen acht Monate nach den Wahlen endlich eine arbeitsfähige Regierungskoalition. Doch: Präsident Lech Kaczyński und sein Bruder Jaroslaw, der Chef der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), haben ein wahres Horrorkabinett geschmiedet, das für die EU nichts Gutes verheißt. Neben Roman Giertychs nationalistisch-klerikaler Liga der polnischen Familien (LPR) gehört ihm die populistische Samoobrona (Selbstverteidigung) an, deren vorbestrafter Führer Andrzej Lepper sich um die Landwirtschaft kümmern will.

Aus Verzweiflung über dieses Kabinett ist Polens Außenminister Stefan Meller bereits zurückgetreten. Bislang half sein Ansehen, im Ausland vom ungelenken Auftreten des Präsidenten Lech Kaczyński abzulenken. Doch damit ist jetzt Schluss. Denn Giertych und Lepper werden jede Chance nutzen, sich mit antieuropäischer Rhetorik zu profilieren. Eifernden Katholiken und Bauernfundis wie ihnen bietet die EU viel Angriffsfläche. Dass Polen in der EU dadurch ein schlechtes Image bekommt, muss sie nicht stören, da außenpolitische Fragen für ihre Wähler kaum von Bedeutung sind.

Bislang wiegeln PiS-Politiker noch ab: Die Regierungsbeteiligung der Samoobrona und der Liga werde keine Auswirkungen auf Polens Europapolitik haben. Auch die größte Oppositionspartei im Parlament macht sich über Polens künftige Europapolitik noch wenig Sorgen. Die EU-freundlichen Kräfte schlagen bislang keinen Alarm, um Polens angekratztes Image nicht noch weiter zu ramponieren. Niemandem sei gedient, so das Kalkül, wenn Polen zum Paria erklärt würde. Schließlich benötigt das Land Partner in der EU für seine schwierige Ostpolitik gegenüber der Ukraine, Belarus und Russland.

Doch bislang haben sich die beiden Kaczyński-Brüder in Brüssel nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Beide machen keinen Hehl daraus, dass sie die EU-Verfassung ablehnen. Und im Streit um die Fusion zweier Banken in Polen – Pekao S.A. und BPH – machten sie jüngst deutlich, dass sie die Regeln des Binnenmarkts nach eigenem Gutdünken auslegen. Das rief schon die EU-Kommission auf den Plan und brachte dem Land ein Verfahren ein.

Die Koalition der PiS mit ihren populistischen Partnern wird dieses Klima künftig noch verschlechtern, weil für die Samoobrona eine liberale Wirtschaft die Wurzel allen Übels ist. Die Bauernpartei steht für einen nationalistischen und protektionistischen Kurs in Wirtschaftsfragen und misst dem Nationalstaat eine fast mystische Bedeutung zu. Nur so, lautet das Lamento der „Selbstverteidiger“, könnten „christliche Werte und Patriotismus“ in Polen wieder gestärkt werden, nur so könne das Land „vor der totalen Kommerzialisierung und einem zerstörerischen Liberalismus“ bewahrt werden. Wenn das mal keine Kampfansage an die EU ist – schließlich zählen Liberalismus und Binnenmarkt zu den Grundpfeilern der europäischen Integration.

Bei näherer Betrachtung mutet das lautstarke Trommeln gegen die EU erstaunlich an. Schließlich erfreut sich Polen eines großen Wirtschaftswachstums, bislang liegt es bei etwas über 4 Prozent. Der Export boomt, und die Arbeitslosenquote ist mit 17 Prozent zwar relativ hoch, aber im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Daher sieht Polens Bevölkerung den EU-Beitritt ihres Landes mehrheitlich positiv. 63 Prozent bewerten ihn in einer Umfrage des Eurobarometers als vorteilhaft, 2004 waren es lediglich 55 Prozent. Doch nicht ganz Polen profitiert von der EU: Die ländliche Räume im Osten und Nordwesten bleiben bislang außen vor.

In der Region Warminsko-Mazurskie (Masuren) liegt die Arbeitslosenquote bei 28 Prozent, in Lubuskie (Lebus) bei 24 Prozent. Von den EU-Subventionen für Regionalentwicklung und Infrastruktur ist dort wenig zu spüren, da die rückständigen Regionen Probleme haben, überhaupt die Voraussetzungen zu erfüllen, um solche EU-Mittel abzurufen. Stattdessen sind die Unterschiede zwischen den Wachstumszentren Warschau, Krakau oder Posen und dem Rest des Landes gewachsen. Viele Bauern sehen die Union zwar mit anderen Augen, seit Subventionen aus Brüssel fließen. Doch sie fließen ihrer Ansicht nach eben nicht schnell genug.

Auf diese Stimmung zielen Leppers & Co. mit ihrer populistischen Rhetorik. Sie versprechen ein „soziales Minimum“ (eine Art Sozialhilfe), unbefristete Arbeitslosenhilfe sowie einfaches Geld aus Brüssel. Dabei übertönt die rabiate Rhetorik, dass die EU im Alltag der Samoobrona-Wähler kaum eine Rolle spielt. Anders als in Westeuropa werden in Polen noch immer vorwiegend die einheimischen Politiker für die eigene wirtschaftliche Lage verantwortlich gemacht. Die Ablehnung der Protestwähler richtet sich damit in erster Linie gegen das politische Establishment in Warschau. Nur so ist zu erklären, warum in der Bevölkerung auf der einen Seite die Zustimmung zur EU wächst, auf der anderen Seite EU-feindliche Parteien wie die Samoobrona in der Gunst vieler Wähler stehen.

Experten wie Bohdan Wyżnikiewicz vom Danziger Institut für Marktwirtschaft fürchten nun, die neue Regierung könnte das Reformtempo drosseln. Dadurch liefe das Land Gefahr, den Schwung der letzten Jahre zu verlieren und den Anschluss an den Westen zu verpassen. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten Ostmitteleuropas hat Polen eine der niedrigsten Wachstumsquoten. Auch hat es sein Haushaltsdefizit nicht im Griff – und tut nach Meinung der EU-Kommission zu wenig, um es zu verringern. Damit wachsen zu Recht die Zweifel an Polens baldigem Beitritt zur Eurozone.

Diesen Schritt hat die neue Koalition aber sowieso nicht im Sinn. Das Triumvirat aus PiS, Samoobrona und Liga eint die Skepsis gegenüber jeglicher EU-Vertiefung, auch hinsichtlich einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Zudem stellt für die nationalistisch-klerikale Liga der polnischen Familien Deutschland eine Bedrohung dar. Das hat seine Ursache im Zweiten Weltkrieg und der Besatzung. Ein EU-Verfassungsvertrag würde nach Meinung der Liga das Land dem „Erzfeind“ im Westen ausliefern, da in der EU eben die großen Länder wie Deutschland auf Kosten Polens dominieren.

Außenpolitische Fragen sind für die Wähler der rechten Parteien in Polen kaum von Bedeutung

Erst jüngst hat Liga-Vordenker Giertych daher gefordert, das polnische Parlament, der Sejm, solle den EU-Verfassungsvertrag ablehnen. Damit wäre der Vertrag allerdings endgültig tot. Mehr noch: Eine ernsthafte Diskussion über die Zukunft der EU ist von der neuen Regierung in Warschau kaum zu erwarten.

Zwar räumen Beobachter dem Schreckensbündnis keine lange Lebensdauer ein, weil es Polens Gesellschaft entzweit. Mit vorgezogenen Neuwahlen ist jedoch frühestens im Herbst zu rechnen. Bis dahin bleibt viel Zeit, um Polen auf der EU-Bühne zu diskreditieren. Eine neue Regierung dürfte dann viel damit zu tun haben, das schlechte Image Polens wieder loszuwerden.

SABINA WÖLKNER