Zweite Stunde: Seiltanz

ZIRKUSSCHULE Die Schule Trenknerweg in Hamburg-Altona und der Kinder- und Jugendzirkus „Abrax Kadabrax“ arbeiten seit 2006 bei dem deutschlandweit einmaligen Projekt „Zirkus in der Schule“ zusammen

„Das ist immer toll. Wenn man hinter der Bühne steht und dann auftritt, vor allen“

Katharina, Schülerin

VON UTE BRADE

Es ist zehn vor neun, die zweite Schulstunde beginnt. Statt Mathe oder Deutsch steht für die Klasse 4 b Donnerstags morgens Zirkus auf dem Stundenplan. Kaum hat Bernd Rahmann, Zirkuspädagoge und Betreuer des Projektes „Zirkus in der Schule“, die Plane des großen rot-gelben Zirkuszeltes geöffnet, strömt die Klasse hinein.

Im Jahr 2006 begann die Kooperation des Kinder- und Jugendzirkus „Abrax Kadabrax“ und der Grundschule Trenknerweg in Hamburg-Altona. Die Klasse 4 b ist von Anfang an dabei. Seit drei Jahren ist der Zirkusunterricht als dritte Sportstunde fester Bestandteil des Stundenplans. Jede der insgesamt 14 Klassen hat einmal in der Woche Zirkusunterricht. Zurzeit gibt es zwei Zirkuslehrer: Steffi Suse und Bernd Rahmann, die beide eine Ausbildung als Zirkuspädagoge absolvierten und seit fünf Jahren zusammen arbeiten.

Schnell ziehen sich die Kinder um: Jacken und Schuhe aus, Ballettschuhe und Leggins an, – die Kleider fliegen nur so durch die Gegend. Das Aufwärmspiel geht los: Die, die fertig umgezogen sind, setzen sich an den Rand der großen Turnmatte, die in der Mitte der Manege aufgebaut ist. Wenn sie von einem Mitschüler mit dem Finger berührt werden, dürfen sie mitmachen: Fangen spielen, Purzelbäume schlagen. Ein guter Trick, um zu erreichen, dass sich die Kinder schneller umziehen.

Heute steht freies Training auf dem Programm, „das lieben die Kinder“, sagt Rahmann: Seiltanzen, Tellerdrehen, Diabolo spielen, Seilspringen, Hula-Hoop, Kugellaufen – die Kinder dürfen machen, worauf sie gerade Lust haben. „Diese Techniken schulen die Feinmotorik und das Gleichgewicht“, erklärt Steffi Suse. Diese Fähigkeiten würden im Zirkusunterricht intensiver gefördert als im normalen Sportunterricht.

Das Kugellaufen scheint sehr beliebt zu sein, besonders bei den Jungen. Die großen roten Kugeln sind alle besetzt, manche stehen zu zweit auf einer. Die Mädchen warten in einer Reihe vor dem Balancierseil. Gisem, die nebenan auf dem etwas breiteren Balken balancierte, versucht sich vorzudrängeln. „Hinten anstellen!“, brüllen die anderen. Einem Mädchen will das Balancieren nicht so richtig gelingen, Bernd Rahmann stützt sie. „Die Kinder sollen möglichst selbständig arbeiten“, sagt Rahmann. Er gebe nur Hilfestellung.

Aber auch die SchülerInnen untereinander helfen sich, einige studieren eine kleine Zirkusnummer ein. „Der Zirkusunterricht“, sagt Suse, „ist eine super Möglichkeit für die Kinder, an ihrem Selbstbewusstsein zu arbeiten.“ Genauso wichtig ist es, zu lernen, Verantwortung zu übernehmen, diszipliniert zu arbeiten und ein Team zu sein – Kompetenzen, die nicht nur am gutbürgerlichen Rande Altonas, sondern auch in sozialen Brennpunkten wichtig sind. Der Zirkus Abrax Kadabrax kooperiert darum mit Kinder- und Jugendhilfeprojekten auch anderswo, etwa am Osdorfer Born.

Die neunjährige Katharina spielt am liebsten Diabolo. Katharina kommt einmal in der Woche nachmittags zum Zirkusunterricht. Mittagessen im Zirkuscafé – einem echten Zirkuswagen –, Hausaufgabenbetreuung und eine Dreiviertelstunde Training kosten zwischen 15 und 25 Euro. Die Nachmittagskurse stehen allen Kindern aus dem Stadtteil offen.

Am Ende eines Schuljahres gibt es die Zirkuswoche: Vier Tage lang studieren die Kinder eigene Zirkusnummern ein, die Techniken dürfen sie sich aussuchen. Ende Juni werden die Nummern den Eltern vorgeführt. Katharina würde dieses Jahr gerne ein Clown sein, sie freut sich jetzt schon auf die Zirkuswoche. Etwas wehmütig merkt ihre neunjährige Freundin Hannah an: „Das ist dann aber unsere letzte Zirkuswoche.“ Die beiden sind von Anfang an dabei. „Das ist immer toll“, sagt Katharina, „wenn man hinter der Bühne steht und dann auftritt, vor allen.“

Es ist halb zehn, Frau Suse und Herr Rahmann rufen die Kinder zusammen. Zum Abschluss gibt es ein Klatschspiel: Einer klatscht vor, die anderen machen es nach, einmal reihum. „Auf Wiedersehen, liebe Zirkuskinder!“, rufen die Lehrer. „Auf Wiedersehen“, rufen die SchülerInnen zurück. Jetzt wieder umziehen. Die große Pause ruft.

Zirkuszelt und Zirkuscafé befinden sich direkt auf dem Schulgelände, Trenknerweg 136. Weitere Informationen unter www.abraxkadabrax.de oder www.schuletrenknerweg.de