Kunstrundgang
: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um

Monika Brandmeier: Sachverhalt, bis 24. 6., Mi–Sa 13–18 Uhr, Galerie Asim Chughtai, Chausseestraße 104

Es ist keine Hauptstadtwerbung. Das Banner von Milovan Markovic, das an der Brandmauer gegenüber dem Checkpoint Charlie hängt, ist das Porträt eines Obdachlosen. Doch statt Fotos sieht man bei Markovics „Homeless“-Bildern nur Textprotokolle aus Gesprächen, die der serbischstämmige Künstler über Monate geführt hat. So wird etwa das Problem, sich rund um die Uhr um seine paar Habseligkeiten kümmern zu müssen, zum weithin leuchtenden Statement unweit vom Potsdamer Platz. In der Galerie Kai Hilgemann zeigt Markovic parallel dazu acht Textgemälde, die ebenfalls auf seinen Recherchen beruhen: fein abgetönte Lebensgeschichten zwischen Bronze, Gold und fahlem Gelbton, wie die gegerbte Haut der Protagonisten, die im Nebenraum auf Monitoren zu sehen sind. Geschickt vermischen sich Sozialstudie und die formale Strenge von Propaganda, wird eine Ikonografie aufgebaut, die Markovic auf den Tafeln seiner „transfigurativen Malerei“ doch anonym erscheinen lässt. Denn mehr Nähe wäre Kitsch.

Noch reduzierter geht es kaum. Bei Monika Brandmeier sieht man silberne Gestänge, an denen ein Blatt Papier baumelt. Eine rote Box, darin die Verschlussklappe für Filme einer Kleinbildkamera. Dann wieder Fotos vom Fußboden ihres Ateliers, auf dem ein Zettel mit dem Satz „immer über dasselbe stolpern“ liegt. Vom weißen Blatt zum fertigen Bild, vom artist’s studio zum zweidimensionalen Medium und wieder zurück in die Galerie – das sind wunderbare Analogien, die Brandmeier unter dem Titel „Sachverhalt“ bei Asim Chughtai ausstellt. Offenbar hat die Künstlerin, die Bildhauerei an der Akademie in Dresden unterrichtet, ein Faible für objektgewordene Sprachspiele. Die rote Kiste entpuppt sich als Box aus speziell lackierten Schultafeln, die Sachverhalte erklärt derweil Ludwig Wittgenstein.

Milovan Destil Markovic: Homeless Berlin 2006, bis 10. 6., Di–Sa 12–18 Uhr, Galerie Kai Hilgemann, Zimmerstraße 90/91