Die beleidigte Internationale

DIPLOMATIE Die Türken dürfen nicht in die Europäische Union, die Südamerikaner ärgern sich über die USA. Deshalb müssen sie noch lange nicht mit Despoten kuscheln

Ein anderer prominenter Staatsmann fehlte bei der Teheraner Lächler-Runde: Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy. Der ließ einen Mörder des Exilpolitikers Schapur Bachtiar gen Teheran ziehen

VON ANDREAS FANIZADEH

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Irans Diktator Mahmud Ahmadinedschad und der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan vereint in Teheran unter dem Siegerlächeln und Victory-Zeichen des iranischen Despoten. Das Bild ist vom Montag, was es zeigt, reicht weit über den Tag hinaus. Sehen so die Nachfolger Che Guevaras oder Franz Fanons aus – der Ikonen des antikolonialen Befreiungskampfes der 1960er-Jahre? Oder haben wir es hier vielmehr mit einer neuen zwergimperialistischen Achse der Beleidigten zu tun, die aus kleinlicher nationalistischer, geostrategischer Konkurrenz skrupellos nach neuen Machtoptionen sucht und sei es auch mit dem Regime im Iran?

Die USA, China und Russland versuchen über Sanktionen die iranische Despotie zu mäßigen. Und was macht Lula? Brasiliens Arbeiterführer im Präsidentenamt verspricht das Handelsvolumen mit Iran auf 8 Milliarden Euro jährlich zu steigern und präsentiert sich mit Ahmadinedschad der versammelten Presse in Teheran. Vielleicht hätte er sich von seinem neuen Freund einmal das Teheraner Evin-Gefängnis zeigen lassen sollen. Dort hätte er viele Genossen und Genossinnen aus den sozialistischen iranischen Schwesterorganisationen getroffen.

Aber das hätte wahrscheinlich weit weniger der internationalen Entspannung gedient, als das jetzige Gebuckel vor den Teheraner Staatsterroristen. Evo Morales aus Bolivien, Hugo Chávez aus Venezuela und eben auch Lula suchen auffällig die Nähe zu mit dem Westen über Kreuz liegenden Staaten. Vorurteile gegenüber den USA sind in Südamerika schließlich weit verbreitet. Die Diktaturverbrechen der 1970er-Jahre und die damaligen Verwicklung der Vereinigten Staaten wirken nach. Solange diese nicht juristisch aufgearbeitet sind, wird zwischen Mythen und Wahrheit kaum unterschieden werden. Und so manche Regierung benutzt den Antiamerikanismus ihres Volkes gern, um von hausgemachten Problemen und Versagen abzulenken.

So kann der gemäßigte Islamist Erdogan zu Recht sauer sein, weil seinem Land die europäische Integration verwehrt bleibt. Muss er sich aber deswegen gleich Despoten zuwenden? Was für eine Geschäftsidee steckt in seiner Diplomatie. Erdogan und Lula haben Ahmadinedschad einen triumphalen Auftritt verschafft und damit gleichzeitig gegen die Interessen ihrer Länder verstoßen. Oder soll die Wiederaufbereitung von radioaktivem Scheiß aus Iran auf brasilianischem oder türkischem Boden die Zukunft sein? Der sonnen- und erdölreiche Iran braucht am allerwenigsten die Atomtechnik, es sei denn zu militärischen Zwecken.

Kein wirklicher Internationalist möchte Lula zusammen mit Erdogan und Ahmadinedschad in die Kameras lächeln sehen. Das ist symbolischer Frieden mit einem Usurpator, dessen Regime das Land in einem permanenten Bürgerkrieg niederhält.

In Brasilien und anderen südamerikanischen Staaten wird dieser Tage viel über die Kollaborateure der eigenen vergangen Diktaturjahre diskutiert. Von jemanden wie Lula kann man ein klein wenig historisches Bewusstsein erwarten, eines, das die Vergangenheit mit der Zukunft verbindet.

Ein anderer prominenter Staatsmann hätte zu der Teheraner Lächler-Runde ebenfalls gut gepasst: Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy. Der ließ gerade einen der Mörder des 1991 umgebrachten iranischen Exilführers Schapur Bachtiar laufen. Im Austausch gegen eine 24-jährige französische Geisel.

Während Lulas Maschine wieder abhob, kam die des Mörders Ali Wakili Rad so gerade an. Die antiimperialistische Linke hat früher behauptet, Befreiung gebe es nur im Weltmaßstab. In diesem Punkte hatte sie vielleicht gar nicht mal so Unrecht.