Regierung gestürzt

Das direkte Duell um die Vizemeisterschaft offenbart den Unterschied: Werder Bremen hat einen Sturm, der Hamburger SV hat keinen. Bremen dank Klose und Klasnic in der Champions League

von OKE GÖTTLICH

Als Trainer Thomas Doll kurz vor Spielbeginn noch einige Worte an die Fans des Hamburger Sportvereins richtete, schienen sich die Hamburger ihrer Sache sicher. Seine Dankesrede beendete Doll mit einer Regierungserklärung: In der ausverkauften Arena, „unserem Wohnzimmer“, da regiere der HSV. Auch bei der Vorstellung des Outfits für die kommende Saison sah der Stadionsprecher noch das neue Trikot des „Champions-League-Teilnehmers“ HSV vor sich. Als die Hamburger Fans dann auch noch eine 4.000 Euro teure „Die Nummer Eins im Norden“-Choreografie enthüllten, da sollte wirklich jeder wissen, dass sich der beste HSV seit über 25 Jahren mit allen Mitteln für eine tolle Saison belohnen wollte.

Kein Hamburger sollte nur einen Gedanken daran verschwenden, dass dieses Spiel – dessen „Drehbuch nicht hätte besser geschrieben werden können“ (Patrick Owomoyela) – einen negativen Ausgang finden könnte. Am Ende indes standen fassungslose Hamburger Spieler wie betäubt auf dem eigenen Platz und „die Nummer eins im Norden“ hieß Werder Bremen.

Vielleicht war alles etwas zu viel. In jedem Fall für Ailton und Schiedsrichter Dr. Markus Merk. Beiden allerdings wollte HSV-Trainer Doll nach dem 1:2 und der verpassten Champions-Leagu- Qualifikation keinen direkten Vorwurf machen: Merk nicht für eine fragwürdige Abseitsentscheidung und bis zu zwei nicht gegebene Elfmeter. Und Ailton nicht dafür, in der 66. Minute aus sieben Metern freistehend das leere Tor nicht getroffen zu haben. „Es hat nicht an Dr. Merk gelegen, dass wir heute kein Unentschieden erreicht haben“, sagte Doll. Das nämlich hätte bereits ausgereicht für die Vizemeisterschaft. Und über den glücklosen Ailton: „Ich denke, er ist bereits der am meisten enttäuschteste Spieler, der heute den Platz verlässt. Da muss man nicht noch zusätzlich draufhauen.“

Überhaupt solle die Enttäuschung über den endgültigen Ausgang der Saison nicht überwiegen, so Doll: „In ein paar Tagen sehen wir das vielleicht anders, wenn wir die Saison langsam Revue passieren lassen und uns sagen, dass wir eine große Saison gespielt haben.“ Das hat der Liga-Dino HSV in der Tat – vor allem in der Abwehr und im Mittelfeld. Das Spiel gegen Bremen offenbarte nun erneut, warum Werder dem HSV im allerletzten Moment noch den Vizemeistertitel abjagen konnte: Die gesamte Saison hindurch hatte es in Hamburg an einem treffsicheren Sturm gemangelt. Und an dem genialen Rafael van der Vaart mangelte es verletzungsbedingt zu häufig. Ein Problem, das sich nur mit einer durchdachten und glücklichen Transferpolitik lösen ließe.

Doch die Planungssicherheit, so HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann, hat sich „um drei Monate nach hinten verschoben“: Erst dann entscheidet sich in einer Qualifikationsrunde, ob der HSV doch noch in der Königsklasse antreten und mit acht Millionen Euro Zusatzeinnahmen rechnen darf. Über die nun entgangene Direktqualifikation zeigte sich Hoffmann mindestens ebenso enttäuscht wie über die gleich mit verpassten zehn Millionen Euro, mit denen man ordentlich auf dem Transfermarkt hätte zuschlagen können. Auch HSV-Sportmanager Dietmar Beiersdorfer ärgert sich über die Warteschleife, in der sich der Verein befindet. „Wenn wir die Champions League noch erreichen, müssen wir investieren.“ Doch dann ist der Spielermarkt bereits ausgedünnt. Werder-Stürmer Ivan Klasnic jedenfalls, den die Hamburger gerne in ihren Reihen hätten, verwies schon mal auf seinen „minimal bis 2007“ laufenden Vertrag in Bremen. Und auf seine Hoffnungen fürs internationale Geschäft: „Letztes Jahr waren wir Dritter, dieses Jahr sind wir Zweiter und nächstes Jahr … Das muss ich wohl nicht sagen, oder?“