Aufstand der Alten

SOZIALES Rund 200 SeniorInnen sind gegen Einsparungen an Begegnungsstätten auf die Straße gegangen. Ihr Etat soll um 60.000 Euro gekürzt werden – dabei mussten einige der Einrichtungen bereits schließen

„Selbst wenn wir da nur unseren Kaffee trinken würden, wäre das ja wohl unser gutes Recht“

Brigitte Linge, Besucherin einer Senioren-Begegnungsstätte

In der nächsten Bürgerschaftssitzung wird über Einsparungen an Begegnungsstätten für Bremer SeniorInnen beraten: Ihr Etat soll um 60.000 Euro gekürzt werden. Dagegen protestierten über 200 NutzerInnen dieser Einrichtungen am Donnerstag vor dem Hauptbahnhof.

Mit Trillerpfeifen und Gesang zogen die DemonstrantInnen zu Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) und überreichten ihr 3.500 Unterschriften und persönliche Schreiben von BesucherInnen der Einrichtungen. Darin erzählen die SeniorInnen, wie die Angebote ihnen helfen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen: Plattdeutschnachmittage und Gymnastik, aber auch Sprach- oder Computerkurse werden dort günstig angeboten. Oder sie suchen einfach Gesellschaft: „Selbst wenn wir da nur unseren Kaffee trinken würden, wäre das ja wohl unser gutes Recht“, sagt die Rentnerin Brigitte Linge.

Jürgen Stein von der Diakonie hatte die Demonstration angemeldet und sieht sie als sichtbaren Beweis dafür, wie die Einrichtungen alte Menschen aktivieren könnten. Auch SeniorInnen, die aufgrund ihrer Gesundheit nicht teilnehmen konnten, hatten Grußworte mitgeschickt.

An den Begegnungsstätten werde schon seit Jahren gespart, erinnert Sabine Hatscher, Pressesprecherin der Evangelischen Kirche: Im Jahr 2002 gab es noch 36 Begegnungsstätten in Bremen, heute sind es nur noch 28. Die öffentliche Förderung sei im gleichen Zeitraum von rund 1,3 Millionen auf knapp 900.000 Euro geschrumpft. „Damit werden Sozialprojekte für eine Bevölkerungsgruppe gefährdet, die stetig wächst“, so Hatscher.

Unterstützung bekamen die Protestler vom sozialpolitischen Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Klaus Möhle. Er kündigte noch auf der Kundgebung einen Haushaltsantrag an, der die Finanzierung im bisherigen Maß sicherstellen solle. Auch die CDU beantragt, auf die geplanten Kürzungen zu verzichten und die Kosten durch Streichungen beim Stadtticket für SozialhilfeempfängerInnen zu finanzieren. Die Linke spricht sich ebenfalls gegen die Kürzungen aus, kritisiert aber den Entwurf der CDU: Hier würde eine soziale Gruppe gegen die andere ausgespielt, sagt ihr sozialpolitischer Sprecher Peter Erlanson.

Stahmann selbst äußert Verständnis für die Betroffenen, verteidigt aber die Sparmaßnahmen: „Wir können kein Geld ausgeben, das wir nicht haben.“ Wegen der aktuellen Haushaltslage müssten alle Ressorts 1,5 Prozent kürzen. Gefallen würde das niemandem. Die Maßnahmen würden aber dennoch nicht kurzsichtig vorgenommen, sondern auf Grundlage gründlicher Einzelfallprüfungen: Einige der Häuser hätten weniger als 20 Gäste pro Woche und würden sich darum nicht rechnen. Sie willigte aber ein, die SeniorInnen stärker in die weiteren Planungen einzubeziehen. Nach einem entsprechenden Forum wird nun gesucht.  JAN-PAUL KOOPMAN