Dann eben Bali

MASSENTOURISMUS Wegen der Straßenkämpfe bleiben in Bangkok die Urlauber aus. Doch die Industrie hat gelernt, solche Krisen zu bewältigen, indem sie die Touristenströme umleitet

Während des Vietnamkriegs schufen die GIs in Thailand die Infrastruktur für den Massentourismus

VON SVEN HANSEN

Die jetzt in Bangkok demonstrierenden sogenannten Rothemden sind eigentlich recht fair zu den Touristen. Jedenfalls im Vergleich zum seit knapp eineinhalb Jahren in Thailand regierenden Lager der Gelbhemden. Gewiss, Bangkoks legendären Nachtmarkt sollten Reisende jetzt besser nicht besuchen. Das könnte wegen schießwütigee Soldaten tödlich enden. Auch die bei Rucksacktouristen so beliebte Khao San Road voll preiswerter Absteigen und Souvenirshops war im April Schauplatz heftiger Straßenkämpfe. Ein Tourist aus Japan, der unbedacht in einem roten T-Shirt auf die Straße ging, wurde von Sicherheitskräften fast totgeprügelt.

Aber immerhin lassen die Roten Bangkoks Flughäfen jetzt wenigstens unangetastet. So müssen die Traveller aus aller Welt nur auf das Shopping, den Besuch des Königspalasts und einiger Tempel in Bangkok verzichten. Aber immerhin können sie das Flugzeug wechseln und gleich nach Kho Samui, Phuket oder zu anderen Destinationen weiterfliegen. Günstige raubkopierte CDs, gefälschte Markenprodukte, Seidenhemden oder bunte Strandtücher kaufen sie dann eben dort.

Die Gelbhemden dagegen waren Ende 2008 so dreist, alle Flughäfen der thailändischen Hauptstadt tagelang dichtzumachen. Das war selbst für die krisenerfahrene Reisebranche so kurz vor der weihnachtlichen Hochsaison ein GAU, den bisher nur die Aschewolke aus Island übertraf. Bangkok ist für den Flugverkehr eine internationale Drehscheibe, über die nicht nur viele Flüge in die Region abgewickelt werden, sondern wo auch viele Flieger zwischen Europa und Australien zwischenlanden.

Jetzt müssen Reiseveranstalter vorerst nur ihre Bangkok-Touren absagen. Natürlich gerät auch der Tourismus im Rest des Landes in Mitleidenschaft. Doch dafür dürften dann die Nachbarländer profitieren, Vietnam etwa. Als dort vor 40 Jahren der Krieg tobte, gab es zwischen Hanoi und Saigon, wie es damals noch hieß, ja auch keinen Tourismus. Dafür schufen die amerikanischen GIs, die rest and recreation vom Vietnamkrieg jenseits des Golfs von Siam suchten, in Thailand erst die Infrastruktur, die später dem Sex- und Massentourismus den Weg ebnete.

Krisen wie jetzt in Bangkok sind für den Massentourismus nicht ungewöhnlich. Für die Reiseveranstalter sind sie lästig, aber sie kennen sich damit aus. Dass wie jetzt in Bangkoks Nobelhotel Dusit Thani die Gäste wegen wilder Schießereien die Nacht im Keller verbringen müssen, ist die Ausnahme. Gestrandete Ausländer werden aus Krisengebieten meist schnell herausgeholt, schlimmstenfalls kann es ein paar Tage dauern. Ansonsten werden die Touristen umgeleitet oder sie suchen sich einfach selbst neue Ziele. Als 2002 islamistische Terroristen in Bali einen Bombenanschlag auf einen Nachtclub und eine Touristenkneipe verübten, brach auf der indonesischen Ferieninsel der Tourismus vorübergehend ein. Dafür boomte das Reisegeschäft bei den thailändischen Nachbarn. Jetzt könnte es umgekehrt sein – Jakartas Jalan Jaksa statt Bangkoks Khao San Road oder eben gleich Kuta Beach. Für den Massentourismus sind die Ziele heutzutage austauschbar.

Es wird aber auch nicht lange dauern, bis die ersten Traveller Bangkok zurückerobern. Zwar sollten sie sicherheitshalber das Ende der Straßenkämpfe abwarten, doch danach werden sie sich vor den rußgeschwärzten Barrikaden ablichten lassen und später im Hostel auf Kho Samui stolz von ihrem Abenteuer erzählen.

Für die Einheimischen sind die Unruhen keine Fotokulisse, sondern eine Frage der Existenz. Sie können Bangkok nicht so einfach mit Bali tauschen.