Ein weiteres Opfer der rechten Jugendkultur?

Prozess in Sachsen-Anhalt: Vier junge Männer sollen einen 12-Jährigen misshandelt haben – wegen seiner Hautfarbe

BERLIN taz ■ Am Amtsgericht im sachsen-anhaltischen Schönebeck beginnt heute der Prozess gegen vier junge Männer, die im Januar dieses Jahres einen 12-jährigen Schüler in Pömmelte schwer misshandelt haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg vermutet rechtsradikale Motive der Beklagten hinter der Tat. Die mutmaßlichen Täter waren zur Tatzeit zwischen 16 und 19 Jahre alt. Sie müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung verantworten. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Der Fall hatte Anfang des Jahres wegen seiner Brutalität für Aufsehen gesorgt. Eine fünfköpfige Gruppe um den damals 19 Jahre alten Francesco L. hatte den leicht dunkelhäutigen, 12 Jahre alten Kevin K. im Bus von Schönebeck nach Pömmelte, wo Kevin in einem Heim wohnte, schikaniert. Auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Heim traten die Täter ihr Opfer, schlugen es, drückten eine glühende Zigarette auf dem Auge aus und hielten ihm eine Gaspistole an den Kopf. Außerdem urinierte einer der Täter auf den Kopf von Kevin K., ein anderer ließ sich die Springerstiefel ablecken.

Der Anführer der Gruppe, der 19 Jahre alte Francesco L., ist in Schönebeck und Pömmelte kein Unbekannter. Neben dem Übergriff auf Kevin K. muss er sich heute vor Gericht noch wegen drei weiterer Vergehen verantworten: Trunkenheit am Steuer, gefährliche Körperverletzung und Tragen von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Wie der zuständige Staatsanwalt Arnold Murra der taz sagte, sei noch nicht klar, ob L. nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht verurteilt werde. Dies müssten die Beweisaufnahme und Gutachter klären. Die anderen Beschuldigten waren zum Zeitpunkt der Tat minderjährig. Für sie gilt das Jugendstrafrecht.

Anders als beim Fall des jüngst in Potsdam überfallenen Deutsch-Äthiopiers hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen nicht übernommen. Man könne nicht davon ausgehen, dass die Beschuldigten ihr Opfer ermorden oder totschlagen wollten.

David Begrich, Referent des Miteinander e.V. aus Magdeburg, sagte der taz, der Vorfall in Pömmelte sei mit dem in Potsdam durchaus vergleichbar: „Die Ablehnung kultureller Differenzen wird in Gewalt umgesetzt.“ Nicht nur in Pömmelte gebe es ein Problem mit rechtsgerichteten Jugendlichen. Viel mehr herrsche in der ganzen Region um Schönebeck eine „hegemoniefähige, rechte Jugendkultur“.

Nach dem Angriff auf Kevin K. war Begrich Teil eines Beratungsteams, das mit den Bürgern von Pömmelte die Tat analysierte. „Niemand wollte über die Gesamtlage sprechen. Alle haben nur nach vorne geguckt und die wahren Gründe für die Probleme wurden verdrängt“, sagt Begrich.

DOMINIK SCHOTTNER