HEDONISMUS IM WEDDING
: Bienen statt Party

Ich setze mich leise zu den sieben Zuhörern

Nach einem langem Tag schwerer Arbeit mit dem vorletzten Bus als einziger Fahrgast aus dem Prenzlauer Berg nach Wedding. Lichtblitze zucken, vom braunen Himmel fällt Regen, der von hoher Luftfeuchtigkeit kaum zu unterscheiden ist. Ich steige „Gerichtsstraße“ aus und gehe, nicht nach Hause, trotz eines Katarrhs, sondern die paar Schritte in Fahrtrichtung zum Stattbad, in der unbestimmten Hoffnung, dort einen weiteren Abend mit einem Dutzend mir unbekannter partywütiger Offbezirkshipster zu verbringen, die um diese Zeit normalerweise schon zu Stooges und Stones im Soulwax-Remix tanzen.

Die Bar ist geöffnet, doch als ich mich ihrer Glasfassade nähere, höre ich keine Musik, es ist still, nur ein paar Menschen hocken im Raum verteilt. Ich öffne die Tür und höre: Deutschlandradio Kultur. Am anderen Ende des Raums sitzt Johannes, den ich bestimmt schon drei, vier Jahre nicht gesehen habe. Er kommt mir entgegen und flüstert: „Wir hören gerade mein Feature über das Bienensterben“.

Ich nehme ein Bier und setze mich leise zu den anderen sieben hochkonzentrierten Zuhörern. In dem Feature geht es um die drei Hauptgefahren für die Biene, lateinisch apis: die Varroamilbe, Chlothianidin (ein Pestizid von Bayer für die Saatgutbeize) und Klimawandel. Ich höre auch den Albert Einstein zugeschriebenen Satz „Wenn die Bienen sterben, haben die Menschen noch vier Jahre zu leben“. Den kannte ich schon. Ich denke wieder mal an die Apokalypse, die eine Apikalypse sein könnte.

Johannes hat für sein Feature ein Jahr lang recherchiert, ist ins Rheintal, nach Südfrankreich und Italien gefahren und hat vierzig Stunden Material aufgenommen. Schön, dass es im neuen Zentrum Südweddinger Hedonisten auch Raum für hochkonzentrierte Radiofeatures gibt. Falls das hier mal die neue Kunsthalle ist, will ich solche Formate nicht missen. RAN HUBER