Kommunismus auf der Anklagebank

Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu richtet eine Kommission ein, die die Gräuel der jüngsten Vergangenheit des Landes untersuchen soll. Parallel dazu beauftragt Regierungschef Calin Popescu Tariceanu ein Institut mit derselben Aufgabe

VON WILLIAM TOTOK

Für den amerikanischen Politologen Vladimir Tismaneanu sind die Dinge klar: Die kommunistische rumänische Geheimpolizei, die berüchtigte Securitate, war seit ihrer Gründung 1948 bis zu ihrem Untergang 1989 eine „kriminelle Organisation“.

Tismaneanu, Verfasser einiger fundamentaler Untersuchungen und Studien zur Geschichte des Kommunismus, wurde unlängst von Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu zum Leiter einer Kommission berufen. Diese soll sich mit der Geschichte der kommunistischen Diktatur in Rumänien und deren Stützpfeiler, die Securitate, befassen. Die Kommission, der Historiker, antikommunistische Dissidenten und Publizisten angehören, soll in einem halben Jahr einen Bericht vorlegen. Der Bericht soll Basescu als Vorlage zu einer öffentlichen Verdammung des Kommunismus als kriminelles System dienen.

Als Exkapitän eines Schiffes der rumänischen Außenhandelsflotte war Präsident Basescu vor der Wende Mitglied der 1989 untergegangenen Kommunistischen Partei. Zudem soll er auch inoffizieller Mitarbeiter der Securitate gewesen sein.

Antikommunistische Organisationen und ehemalige Oppositionelle hatten Basescu in den letzten Monaten mehrfach aufgefordert, die kommunistische Ideologie und das darauf beruhende politische Repressionssystem öffentlich als menschenfeindlich und kriminell zu verurteilen. In diesem Zusammenhang wurde auf den 2004 vorgelegten Bericht einer internationalen Kommission zur Erforschung des rumänischen Holocaust verwiesen, in dem die faschistische Vernichtungspolitik des rumänischen Staats während des letzten Weltkriegs dargestellt wurde. Die Forschungsergebnisse der Kommission erkannte der rumänische Staat an.

Demgegenüber weigerte sich Präsident Basescu bislang, der Aufforderung, den Kommunismus zu verurteilen, nachzukommen. Er begründete das mit dem Hinweis, es gäbe noch keine wissenschaftlich fundierte Studie über das tatsächliche Ausmaß der kommunistischen Diktatur in Rumänien und es lägen keine historisch nachprüfbaren Daten bezüglich der Opferzahlen vor.

Die Erklärungen von Basescu lösten wütende Reaktionen seitens ehemaliger politischer Häftlinge und Historiker aus. Der liberale Regierungschef Calin Popescu Tariceanu, der mit dem Präsidenten seit Monaten auf Kriegsfuß steht, nutzte die Situation. Nachdem auch ein Streit über die Leitung der rumänischen „Gauck-Behörde“ und den freien Zugang zu den Securitate-Akten für Aufregung sorgte, beauftragte der Premier seinen Berater für Geheimdienstfragen, Marius Oprea, mit der Gründung eines Instituts zur Erforschung des Kommunismus und zur Verurteilung kommunistischer Verbrechen.

Die Aufgaben des Instituts sind weitreichender als die der Präsidialkommission. Als Ergebnisse werden auch Gerichtsverfahren gegen Parteifunktionäre und Securitate-Offiziere angestrebt. Bei einer Tagung in Bukarest kündigte der Institutsleiter Marius Oprea ein Gesetzesprojekt der Regierung an, das die Aufhebung sämtlicher politischer Gerichtsurteile vorsieht.

Von einem solchen Gesetz würden auch ehemalige faschistische Kriegsverbrecher profitieren sowie all jene, die wegen ihrer Beteiligung am Holocaust nach der Errichtung des kommunistischen Regimes verurteilt wurden. Mit diesem Dilemma müssen sich beide Kommissionen auseinander setzen. Der Weg zu einem „Nürnberg des Kommunismus“ – wie Tismaneanu die künftige Aufgabe der präsidialen Kommission umschrieben hatte – ist mit vielen Stolpersteinen gepflastert.