Isländischer Ex-Bankchef sitzt in U-Haft

STAATSPLEITE Erst Crash, dann Knast: In Island beginnt die strafrechtliche Aufarbeitung des Bankenskandals. Vorwürfe gegen Bankmanager wiegen schwer: Börsenmanipulation, Urkundenfälschung, Unterschlagung

STOCKHOLM taz | Die Universitätsexamen von Hreišar Már Siguršsson und Magnús Gušmundsson waren noch ganz frisch, als sie im Mai 1994 eine Anstellung bei Kaupthing bekamen. Einer Finanz- und Versicherungsmaklerfirma, die einige Jahre später eine der größten nordischen Banken werden sollte. Und 2008 zusammen mit zwei anderen isländischen Banken zusammenkrachte. Was den isländischen SteuerzahlerInnen Verbindlichkeiten des Zehnfachen des Bruttoinlandsprodukts bescherte.

Da war Siguršsson Kaupthing-Chef geworden und Gušmundsson Leiter der luxemburgischen Kaupthing-Niederlassung. Seit Ende letzter Woche sitzen beide in Untersuchungshaft. Ihnen werden Verstöße gegen das Aktiengesetz, Manipulationen des Börsenkurses, Urkundenfälschung und Unterschlagung vorgeworfen. Ein erster Erfolg einer von der Regierung eingesetzten Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft.

War man bislang davon ausgegangen, dass das Kartenhaus der Finanzwikinger zusammenbrach, weil es neben ungesicherten Krediten vorwiegend aus überbewerteten Vermögenspositionen bestand – was den Nachweis von Wirtschaftskriminalität eher schwieriger machen würde – meint die Staatsanwaltschaft mittlerweile, ein Großteil der Aktiva sei sogar frei erfunden gewesen. Kann sie das beweisen, wären die Banker dran.

Ministerpräsidentin Jóhanna Siguršardóttir und Finanzminister Steingrímur J. Sigfússon sehen die Festnahmen nur als Beginn einer strafrechtlichen Aufarbeitung des isländischen Finanzcrashs. Justizministerin Ragna Árnadóttir will eine personelle Verstärkung der Spezialeinheit für Wirtschaftskriminalität. Die Ermittlungen beziehen sich nicht nur auf Kaupthing, sondern auch auf die beiden anderen Pleitebanken: Glitnir und Landsbanki. Auch dort sollen Kursmanipulationen stattgefunden haben.

Kaupthing heißt mittlerweile „Arion Banki“, und die versucht derzeit buchstäblich alles, sich vom schlechten Ruf ihrer Vorgängerin zu distanzieren und an einem neuen Image zu arbeiten. Ende letzter Woche verbrachten 103 ihrer Angestellten einen ganzen Tag damit, den BewohnerInnen mehrerer Ansiedlungen rund um den Vulkan Eyjafjallajökull bei der Beseitigung von Vulkanasche zu helfen.

REINHARD WOLFF