Niemand spielt zweimal Kaninchen

FREIES THEATER Die versprengte Bremer Szene übt den Schulterschluss, um achtmal das Stück „White Rabbit, Red Rabbit“ von Nassim Souleimanpour auf die Bühne zu bringen

Ein Stuhl bleibt immer frei. Nur eine der vielen Vorkehrungen, die treffen muss, wer Nassim Souleimanpours Stück „White Rabbit, Red Rabbit“ aufführen will. Vermieden werden muss auch, das Stück und seine Inszenierung als irgendwie politische Äußerung anzukündigen. Zudem dürfen die Schauspieler es keinesfalls kennen. 48 Stunden vor der Aufführung bekommt der Performer eine E-Mail mit Anweisungen. Niemand spielt das Kaninchen zweimal.

Klingt kompliziert, aber genau diese Eigenheiten machen „White Rabbit, Red Rabbit“ zum idealen Stück für einen Zusammenschluss von zehn Gruppen und Akteuren der freien Bremer Theaterszene. Denn Souleimanpours Anweisungen bedeuten auch: keine Proben, kaum Requisite. Das Stück biete zudem einer Vielzahl von Performerinnen und Performern Gelegenheit, sich zu präsentieren, wie Silvan Stephan vom Alsomirschmeckts!-theater, einer der Organisatoren des Projekts, sagt.

Achtmal wird das Stück in Bremen gezeigt, an acht unterschiedlichen Orten – und, logisch, von acht Personen gespielt. Sichtbarkeit für möglichst viele Akteure, die sich im Projekt außerdem eng vernetzen, wie man heute so schön sagt. Offenbar ein wichtiger Schritt: Die freie Szene sei „ziemlich versprengt“, wie Silvan Stephan sagt. Renate Heitmann von der Bremer Shakespeare Company, ebenfalls am Projekt beteiligt, ergänzt: „Der wahre Egoist kooperiert.“

So unterschiedlich die Beteiligten sind, von Einzelpersonen wie dem Autor Sönke Busch bis zur institutionell geförderten Bremer Shakespeare Company: Es hat geklappt, am vergangenen Donnerstag war Premiere im gut besuchten Schlachthof, wo Jörg Holkenbrink vom Zentrum für Performance Studies an der Bremer Uni „White Rabbit, Red Rabbit“ als Erster performen durfte.

Nächste Woche geht’s dann an die Universität, dann immer donnerstags bis zum 12. Dezember weiter durch die Bremer Szene. Und vielleicht sitzt einmal auch Nassim Souleimanpour im Publikum. Für den ist der freie Stuhl stets reserviert. Inzwischen darf er, der den Iran bis vor kurzem nicht verlassen konnte, ausreisen. Zugesagt hat er schon – nun muss seine Reise nur noch genehmigt werden.

ANDREAS SCHNELL

■ bis 16. 12., Termine und Infos: www.wrrr.de