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: Praxis und Theorie

FRAUENFUSSBALL Dem 1:1 von Turbine Potsdam gegen Wolfsburg folgte am Samstagabend die intellektuelle Debatte

Der Stadionsprecher hatte schon recht, als er bei der Begrüßung der Zuschauer zum Spitzenspiel zwischen Tabellenführer Turbine Potsdam und Triple-Gewinner VfL Wolfsburg von einer „doch recht ungewöhnlichen Anstoßzeit“ sprach. Samstagmittag drei viertel zwölf ist auch in der Frauen-Bundesliga eher unüblich. Der Grund für die frühe Anstoßzeit war erfreulich. Seit Beginn der Saison überträgt der Fernsehsender Eurosport jeden Spieltag ein Topspiel live. Dass der Sender wenig Interesse daran hat, dass dieses Spiel parallel zur Männer-Bundesliga ausgetragen wird, ist nachvollziehbar. Die Einschaltquoten sind durchaus beachtlich – ein Schritt in die richtige Richtung also.

Die mehr als 3.000 Menschen, die ins Karl-Liebknecht-Stadion gekommen sind, bekommen wirklich ein Spitzenspiel geboten. Turbine spielt druckvoll, geht aggressiv in die Zweikämpfe und ist unglaublich schnell im Umschalten von Offensive auf Defensive und sofort wieder zurück. Allerdings geht bei diesem Tempofußball die Genauigkeit der Pässe und im Abschluss etwas verloren. Dass das 1:0 kurz vor dem Pausenpfiff ausgerechnet nach einer Standardsituation fällt, passt da ins Bild.

Wolfsburg dagegen setzt auf geschicktes Zustellen der Räume und die individuelle Klasse des Kaders – allen voran die großartige Alexandra Popp. Als die Kräfte der Gastgeberinnen nachlassen, schlägt die Stunde der Wölfinnen, die den verdienten Ausgleich erzielen. Am Ende ist das Unentschieden gerecht und das Spiel die beste Werbung für den Frauenfußball.

Eine andere Art Werbeveranstaltung für den Frauenfußball fand am selben Abend in Kreuzberg statt. Rund einhundert Menschen, etwa zwei Drittel davon Frauen, haben sich im „Südblock“ am Kottbusser Tor zu einer Veranstaltung im Rahmen der Aktionswochen der europaweit arbeitenden Organisation „Football Against Racism in Europe“ eingefunden. Eingeladen hat die Initiative „Discover Football“, die sich seit Jahren für den Frauenfußball einsetzt und einen ihrer Schwerpunkte auf weniger entwickelte Länder legt.

Zwei Filme werden gezeigt – über ein Expertinnenforum im vergangenen Winter und ein internationales Fußballturnier im Sommer. Was die Frauen sagen, wirkt teils fremd, teils aber auch vertraut. So unterschiedlich die Gesellschaften sind, scheinen das zentrale Problem doch überall die Männer zu sein, die im Zweifelsfall dem Männerfußball dann doch den Vorzug geben – sei es bei der Vergabe von Trainingszeiten und Sportplätzen oder bei der Frage, welches Spiel sie im Fernsehen oder im Stadion schauen.

Es ginge darum, „die Erzählungen über Mädchen und Frauen zu verändern“, sagt eine Frau aus dem Libanon in einem der Filme. Der beste Weg dazu sei es, „offen und für alle sichtbar Fußball zu spielen“ und so die Mär, Fußball sei nur etwas für Jungs und Männer, zu widerlegen.

Bei der Podiumsdiskussion, an der auch Tanja Walter-Ahrens, ehemalige Bundesligaspielerin, Buchautorin und Expertin in Gremien des DFB, teilnimmt, werden ähnliche Töne angeschlagen. „Female Perspectives“ steht auf der Leinwand, „weibliche Perspektiven“. Wer die Fußballerinnen in den beiden gezeigten Filmen reden, spielen und feiern sieht, kann nicht umhin festzustellen, dass diese weiblichen Perspektiven auf den Fußball so anders nun auch nicht sind – wenn denn nur die Männer nicht ständig im Weg stünden. JAN TÖLVA