Zügig durchgestartet

Der Geograf Patrick Hostert war einer der ersten Juniorprofessoren an der Humboldt-Universität. Sein Werdegang zeigt: Nachwuchswissenschaftler haben auf diesem Weg eine Perspektive. Das Modell ist allerdings noch ausbaufähig

VON JEANNETTE GODDAR

Als Patrick Hostert nach Berlin zog, wusste man gar nicht recht, ob man gratulieren oder kondolieren sollte. Freiwillig und ganz ohne Not hatte er die sichere Bank einer Habilitationsstelle gegen ein Konstrukt eingetauscht, dessen Belastbarkeit noch nicht getestet worden war. Der Nachwuchsgeograf trat als einer der Ersten 2002 eine Juniorprofessur an der Berliner Humboldt-Universität an, also eine Art Stelle für akademische Allround-Youngster, die es nach dem Willen der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) wesentlich früher zur Professur bringen sollten als mit den sonst üblichen durchschnittlich 42 Jahren. Um das zu erreichen, sollten Juniorprofessoren vom ersten Tag selbstständig lehren und forschen dürfen, aber auch eigenständig Drittmittel einwerben und akademische Beiträge publizieren müssen. Patrick Hostert war 34 und so weit optimistisch: „Nicht jeder bekommt schließlich die Chance, etwas Neues auszuprobieren!“, erzählte er damals der taz.

Heute, keine vier Jahre später, ist er dort, wo er sich niemals hätte träumen lassen, so schnell anzukommen: Seit dem 1. April hat Patrick Hostert eine W3-Professur inne, was der einstigen C4-Professur entspricht. Als Leiter einer eigenen Abteilung widmet sich der Geograf, der einst geholt worden war, um die Berliner Umwelt mit Hilfe von Satelliten- und digitalen Geodaten zu erforschen, mit 10 Mitarbeitern der Geofernerkundung und Geomatik. Stattgefunden hat der Karrieresprung nicht im Rahmen des so genannten Tenure-Track-Verfahrens, das Juniorprofessoren den Übergang auf eine dauerhafte Stelle ermöglichen will. Wie die habilitierte Konkurrenz hat Hostert sich – und zwar schon nach der Hälfte seiner potenziellen Juniorprofessoren-Zeit – an zwei Berliner Universitäten beworben. Als er dann auch noch zwischen zwei Professuren wählen konnte, entschied er sich für einen Verbleib an der HU.

Eine Ausnahme? „Gut möglich“, sagt der 38-Jährige, „es gibt nichts, was ich als Juniorprofessor hätte machen wollen und nicht dürfen – und nur so kann man sich qualifizieren.“ Wie versprochen, sagt Patrick Hostert, habe er selbstständig lehren und forschen dürfen, ohne Rechenschaftspflicht gegenüber einem Vorgesetzten, mit einem eigenen Etat und einem im Laufe der Zeit schnell wachsendem Team. Nach drei Jahren, so will es das Konzept, wurde seine Arbeit evaluiert und für gut befunden, was ihm den Verbleib von weiteren drei Jahren ermöglicht hätte.

In der Tat hat die Humboldt-Universität das von Bulmahn gegen immensen Widerstand in den Ländern wie auch an den Universitäten durchgesetzte Konzept nicht nur eingeführt, sondern „ihren Juniorprofessoren“ immer und fast schon provokativ den Rücken gestärkt: mit einer offensiven Anwerbekampagne und guter Ausstattung, aber auch damit, dass die Neuen sich vom ersten Tag an „Professor“ ohne irgendeinen Zusatz nennen dürfen. „Wir haben gezielt auf das Modell gesetzt und hatten Erfolg“, sagt auch eine Sprecherin der HU, und rein numerisch hat sie Recht: Nur vier Jahre nach Einstellung des ersten Juniorprofessors haben bereits sieben auf eine zeitlich unbefristete Professorenstelle gewechselt. Aus anfangs 28 sind inzwischen 50 Juniorprofessuren geworden; das angestrebte Verhältnis zwischen Junior- und anderen Professoren liegt bei 1:4. Jede dritte Juniorprofessur wird von einer Frau besetzt und jede vierte entweder von einem deutschen Rückkehrer oder einem Nachwuchswissenschaftler aus dem Ausland.

Wie gut die Berufsaussichten der Junioren bundesweit sind, muss sich erst noch zeigen. Der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts, das die von Bulmahn geplante bundesweite Ausweitung des Modells als Überschreitung ihrer Kompetenzen wertete, wird die Habilitation mutmaßlich dauerhaft als zweiten Weg zur Professur erhalten. An den meisten Universitäten fehlt ein so genannter Tenure Track als Weg zur Dauerprofessur, der, wie in den USA üblich, bei guter Leistung den Sechsjahresjob in eine unbefristete Stelle umwandelt. Und tatsächlich gaben noch vor zwei Jahren in einer Umfrage der „Jungen Akademie“ ein Drittel der Juniorprofessoren an, sich zusätzlich auch noch habilitieren zu wollen.

Für Patrick Hostert wäre der Weg über die Habilitation wahrscheinlich gar keiner gewesen: „Ehrlich gesagt, meine Motivation, fünf Jahre nach der Dissertation noch ein Buch zu schreiben, das mich vielleicht weder in Deutschland noch international weiterbringt, hielt sich in Grenzen.“