Auskunft? Nein danke!

INFORMATIONSFREIHEIT Obwohl jeder Bürger seit 2006 Zugang zu Unterlagen öffentlicher Stellen und Behörden bekommen soll, wird in den Amtsstuben immer noch gemauert

„Wir sind weit entfernt von einer Kultur der Offenheit“

BUNDESDATENSCHÜTZER PETER SCHAAR

AUS BERLIN WOLF SCHMIDT

Es ist eine simple Frage: Wie viele Videokameras hängen in deutschen Bahnhöfen? Genau das wollte eine Bürgerin wissen und stellte einen Antrag auf Auskunft an das Bundesinnenministerium. Außerdem verlangte sie Einsicht in Unterlagen, aus denen hervorgeht, wie sich die Deutsche Bahn und die Bundespolizei die Kosten für die Überwachung teilen. Das Ministerium lehnte ab und verwies auf eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie auf angebliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn.

Es ist nur eines von mehreren Negativbeispielen, das der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, in seinem Bericht für die Jahre 2008 und 2009 erwähnt. „Wir sind weit entfernt von einer Kultur der Offenheit“, sagte Schaar bei dessen Vorstellung am Dienstag in Berlin.

Das Informationsfreiheitsgesetz gilt seit 2006. Es sollte mit der Geheimniskrämerei in den Amtsstuben aufräumen und jedem Bürger einen Zugang zu Informationen und Unterlagen der öffentlichen Stellen des Bundes ermöglichen – auch dann, wenn er oder sie nicht persönlich von der Sache betroffen ist. Allerdings können Ausnahmen geltend gemacht werden, etwa Belange der inneren oder äußeren Sicherheit. In elf Bundesländern bestehen zudem eigene Gesetze.

In der Praxis, so das Resümee Schaars, erteilen die Bundesbehörden trotz der gesetzlichen Verpflichtung nur zögerlich Auskunft. So verwiesen Behörden allzu leichtfertig auf vermeintliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beteiligter Unternehmen, um Anfragen abzuwehren. Ministerien verweigerten zudem immer öfter die Einsicht in Unterlagen zu Gesetzgebungsverfahren mit dem lapidaren Verweis, es handele sich um „Regierungshandeln“. Das aber sei vom Gesetz nicht gedeckt und „auch im Hinblick auf wachsende Klagen über Lobbyarbeit und Einflussnahme von außen äußerst problematisch“, so Schaar.

In den Jahren 2008 und 2009 wandten sich 137 Bürgerinnen und Bürger an Schaar, weil sie ihr Recht auf Informationszugang verletzt sahen. In fast 40 Prozent der Fälle gewährten die Behörden nach dessen Intervention zumindest teilweise Auskunft. In etwa einem Drittel der Fälle bewertete Schaar die Geheimhaltung der begehrten Informationen als korrekt.

Besonders negativ aufgefallen ist das Eisenbahnbundesamt, das laut dem Bericht in mehreren Fällen die Bearbeitung von Anträgen bis zu zwei Jahre lang verschleppt und etwa Auskünfte zum inzwischen gescheiterten Transrapid-Projekt ganz abgelehnt hat. Mitarbeitern des Informationsfreiheitsbeauftragten sei zudem bei einem Besuch des Bundesamts ein Gespräch verweigert worden.

Kritisiert wird in dem Bericht auch das Bundesfamilienministerium. Dieses hatte sich geweigert, einem Antragsteller Einblick in die Fahrtenbücher der Dienstwagen der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu gewähren. Eine Entscheidung, die Schaar für falsch hält.

Eindringlich hat Schaar am Dienstag davor gewarnt, Forderungen der Bankenverbände nachzugeben, die Bundesbank und die Finanzaufsicht Bafin vom Informationsfreiheitsgesetz auszunehmen. „Ich hoffe, dass der Gesetzgeber diesen Rufen widersteht“, sagte Schaar. Angesichts der jüngsten Bankenkrise hielte er es für „sehr bedenklich“, die ohnehin begrenzte Transparenz im Finanzbereich weiter einzuschränken. Bereits im Vorjahr hatte es einen entsprechenden Vorstoß des Bundesrats gegeben, der aber scheiterte.

„Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ist eine Bringschuld der öffentlichen Stellen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, am Dienstag. Grüne und Linke kritisierten die „Geheimniskrämerei“ in den Behörden. Auch Transparency International Deutschland kritisierte die Info-Blockade. „Die restriktive Haltung der Bundesbehörden“, so die Antikorruptionsorganisation, „widerspricht einer modernen und offenen Verwaltung.“ Das Informationsrecht dürfe nur dann ausnahmsweise zurücktreten, wenn das Geheimhaltungsinteresse nachweislich in erheblichem Umfang überwiege.

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