Die Regierung in Israel traut dem Braten nicht

REAKTIONEN Premier Netanjahu: „Wer darauf beharrt, Uran anzureichern, der will Atomwaffen bauen“

Solange jedoch Verhandlungen andauern, kann Israel nicht zuschlagen

JERUSALEM taz | Je schneller die Genfer Verhandlungen über das iranische Atomforschungsprogramm platzen, desto besser für Israel. Das jedenfalls glaubt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Er traut angeblich friedlichen Nutzungsplänen für das iranische Kernmaterial nicht: „Wer darauf beharrt, Uran anzureichern, der will Atomwaffen bauen“, sagt der israelische Premier. Er warnt davor, die Sanktionen zu lockern, bevor sie ihr Ziel erreichen. Auf keinen Fall dürften sich die westlichen Staaten mit einem Teilabkommen zufriedengeben. Ein schlechtes Abkommen sei schlimmer als gar keins.

Mit Beginn der Genfer Verhandlungen verschärfte Netanjahu am Dienstag den Ton und warf erneut die Möglichkeit eines Präventivschlags in die Debatte. Aufgrund der Erfahrung des Jom-Kippur-Krieges vor 40 Jahren werde Israel niemals wieder einen Feind unterschätzen und Gefahren ignorieren. Frieden sei „durch Gewalt“ zu erzwingen, glaubt er. Die Jerusalem Post unterstrich am Mittwoch zusätzlich, dass „Bibi“, wie Netanjahu im Volksmund heißt, „nicht blufft“.

Der Regierungschef gab sich in den Tagen vor Verhandlungsbeginn ungewohnt großzügig mit Interviews, sprach mit Reportern von FAZ und ARD. Er hat Punkte gutzumachen. Der diplomatische Zweikampf mit Hassan Rohani Ende September in New York ging klar an den iranischen Präsidenten. Für den neuen Mann aus Teheran hätte es nicht besser laufen können. Die Journalisten liebten ihn, während Netanjahu sich zum Gespött der Nation machte, als er gegenüber dem Farsi-Sender der BBC bemerkte, dass die Iraner Jeans tragen würden, wenn sie nur die Freiheit dazu hätten. Als Antwort stellten junge Iraner ihre Fotos ins Internet, auf denen sie allesamt Jeanshosen tragen.

Netanjahu fürchte den „point of no return“ – den Punkt, an dem es für das iranische Atomprogramm kein Aufhalten mehr geben wird. Noch mindestens ein Jahr, so glaubt US-Präsident Barack Obama, sind die Iraner von einer nuklearen Boden-Boden-Rakete entfernt.

Dagegen rechnet Amos Jadlin, ehemals Chef der militärischen Abwehr in Tel Aviv, damit, dass sich „das Fenster der Möglichkeiten schon zur Jahreswende“ schließen könnte.

Einer Umfrage der regierungsnahen Zeitung Israel Hayom zufolge geben über 65 Prozent der Bevölkerung Netanjahu Rückendeckung für einen Alleingang. Solange jedoch Verhandlungen andauern, kann Israel nicht zuschlagen – und erst recht nicht, sollte es zu einer Einigung kommen. Teheran wird auf Nichtangriffsgarantien pochen.

Rohani braucht den Erfolg

Was den iranischen Präsidenten zur Eile treibt, sind die Sanktionen. Zwischen drei und sechs Monate setzte er selbst an, um eine Einigung zu erreichen. Rohani: „Wir wollen unser legitimes Recht auf ein friedliches Atomprogramm, und die Gegenseite will Garantien, dass das Programm auch friedlich ist – das ist durchaus machbar.“

Nicht zuletzt, um die Kritiker im eigenen Land zu besänftigen, braucht Rohani einen Erfolg. Immerhin genießt er die Rückendeckung im Parlament. 230 der 290 überwiegend konservativen Abgeordneten gaben ihm ihre Unterstützung für die diplomatische Offensive. SUSANNE KNAUL