Creme fürs Volk

High-Tech-Badewanne mit Meeresleuchten: Nivea eröffnet ein Wellness-Haus am Jungfernstieg und versucht getreu seiner Firmenphilosophie, die Marke für alle und dennoch elegant zu sein

von Anna Nieweler

Eine Traube von Menschen drängt sich vor dem Eingang. Über dem Portal prangen wulstige Luftballongirlanden in Blau und Weiß. Einige Leute schieben sich am Türsteher vorbei durch eine Seitentür. Das sei eigentlich nur der Ausgang, setzt er an. Der Mann hat keine Chance.

Wie im Himmel soll man sich fühlen im neuen Nivea-Haus, das gestern am Jungfernstieg eröffnete. „Wir probieren etwas Neues“, erklärt Manuela Rousseau von der Geschäftsführung. Bisher seien Wellnesscenter eine Sache für Luxusmarken gewesen. Jetzt sollen die kosmetischen Anwendungen erschwinglicher werden. „Unser Geschäftsführer nennt das ‚demokratisieren‘. Natürlich können es sich immer noch nicht alle leisten“, räumt sie ein. Aber eine Massage für 19 Euro sei doch schon „ganz okay“.

Die Besucher werden von zwei jungen, blonden Damen in weißen Bademänteln empfangen, die nackten Füße stecken in Frottee-Schlappen. Sie tragen Nivea-Taschen, die gefüllt sind mit Probedöschen.

Im Jahr 1911 erfand Oskar Troplowitz in Eimsbüttel eine Creme auf Basis einer Wasser-in-Öl-Emulsion und benannte sie nach dem lateinischen Wort für Schnee: „nivis“. Die Allzweckcreme für wunde Kinderpopos, trockene Lippen und rissige Hände wurde berühmt. Fast hundert Jahre pflegt Nivea noch immer sein Image des Natürlichen. Nicht umsonst wirken die Models aktiv und gesund. Und nicht umsonst haben die Behandlungsräume Namen wie „Abendrot“ und „Nordlicht“. Das Nivea-Haus hat Stil, blauen und weißen, und übertreibt es nicht mit Schickimicki. Dennoch sind da der Blick auf die Alster, die Bar und „unsere High-Tech-Badewanne mit Farblicht, Musik, Whirlpool und Vibration“. Nivea ist die Marke fürs Volk, aber trotzdem elegant.

Die Neueröffnung in Hamburg ist die Erste ihrer Art. Der Konzern will damit „Erfahrungen sammeln“, sagt Manuela Rousseau. Die Marke solle „erlebbar und kommunikativer werden“.

Im „Strand-Bereich“ kann man sein Gesicht einer kosmetischen Behandlung unterziehen. Ein Meer ist an die Wand gebeamt. Von Strandluft und frischer Meeresbrise ist am Eröffnungstag allerdings nicht viel zu spüren, es ist voll und eng. Um in den Wellnessbereich und die Massageräume zu gelangen, muss man sich anstellen. Als ein Fernsehteam sich die Treppe hinaufdrängt, vorbei an einer Frau und deren Freundin, werden die beiden zickig. „Wieso kommen die jetzt vor? Wir waren zuerst da!“ Beim nächsten Anstehen für die „Unterwasser-Massagewelt“ wird die Ältere von beiden sich mit Ellenbogentaktik durchdrängeln und den Nivea-Mitarbeiter ignorieren, der offenbar die Anweisung hat, freundlich zu bleiben.

Vor einer Kugel, die verdächtig dem bekannten Nivea-Ball zum Aufpusten ähnelt, steht ein alte Dame und mutmaßt: „Da wird sicherlich die Hautanalyse gemacht.“ Recht hat sie: „Haut- und Haaranalyse“. Das dauert fünf Minuten und man kann auf einem Bildschirm anschauen, was die Kosmetikerin derweil unter dem Mikroskop sieht. „Während der Analyse ist es drinnen dunkel“, erklärt eine Mitarbeiterin des Hauses, „und eigentlich ist die Tür geschlossen, aber wenn jemand Platzangst hat, lassen wir sie offen.“ Zehn Eröffnungsbesucherinnen um sie herum nicken begeistert.

Im Untergeschoss muss man sich blaue Schutzhüllen über die Schuhe ziehen. Die Wände mit Unterwassertapeten vermitteln den Eindruck, man befände sich in einem Aquarium. Das Publikum ist beeindruckt. Es gibt sogar ein Zimmer für Paar-Massagen, „wenn man mit Freund oder Freundin kommen will“. Der Raum heißt „Ebbe und Flut“, daneben ist Meeresleuchten. „Da fühlt man sich ja gleich 20 Jahre jünger“, scherzt ein alter Mann, der Einzige unter den Kundinnen.

Im Lärm an der Kasse, die Rezeption heißt, werden schon Termine für Behandlungen gemacht. Zwei Eheleute funken dazwischen, weil sie es auf die Probepäckchen hinter dem Tresen abgesehen haben. Sie bekommen jeweils ein Döschen. „Und noch eins für die Tochter“, verlangt die Frau. Der Verkäuferin geht das dann zu weit. Die Tochter soll selbst vorbeikommen.