Ein katholischer Sündenpfuhl

ORTSTERMIN Sex, Macht, Gier: Bischof Tebartz-van Elst ist kein Einzelfall, denn Geistliche im Bistum Limburg denken schon seit langer Zeit nur an ihr eigenes Wohl

Wie kann der Geschäftsführer eines kleinen Bistums privat derart viele Bonusmeilen sammeln?

AUS LIMBURG MATHIAS BRÖCKERS

Am Wochenende besuchte ich das Haus, in dem mein Großvater von 1944 bis 1958 wohnte. Hinein konnte ich aber nicht. Auch nicht in das Nachbarhaus, in dem mein Vater ein Zimmer bezog, als er 1945 als Obergefreiter aus dem Krieg kam, denn beide Häuser gehören jetzt zu dem Anwesen, das als „Prunkresidenz“ des Bischofs von Limburg weltweit Aufsehen erregt.

Die damals heruntergekommenen Fachwerkhäuser sind jetzt schön renoviert, der Hof und die Grünfläche dazwischen, auf dem Omas roter Sonnenschirm mit den weißen Punkten stand, sind dunkel gepflastert, das Gittertor mit einer Alarmanlage versehen. Daneben ist ein ebenfalls gesicherter Parkplatz entstanden und um die Ecke ein schöner Platz vor dem Eingang zu Diozösanmuseum.

Der Abenteuerspielplatz

Außer für die Führungen dort war mein Opa hauptamtlich für die Musik im Dom und die große Orgel zuständig, und wenn er mittags den großen Schlüssel für die Dompforte nahm, um ein wenig zu spielen, ging ich gern mit, denn die leere Kathedrale war ein toller Abenteuerspielplatz.

Das Abenteuer, in das der Bischof Tebartz-van Elst sich und seine Kirche gestürzt hat, liegt zwischen dem Museum und den beiden Fachwerkhäusern, an deren Herrichtung kein Mensch etwas auszusetzen hätte und die für eine bischöfliche Residenz allemal groß und repräsentativ genug gewesen wären. So war es ursprünglich auch geplant und mit etwa fünf Millionen Euro Kosten vom zuständigen Domkapitel genehmigt worden.

Doch dann kam der Mann, den einige wegen seines Blicks in Limburg „Bambi“ oder „Gollum“ nennen, mit seinen Ideen – und er zauberte in den engen Zwischenraum außer einer Privatkapelle noch Konferenz- und Arbeitsräume, eine großzügige Wohnung, eine Wandelhalle sowie einen Showroom für Reliquien. Die Kosten stiegen auf das sechs- bis achtfache des Geplanten. Mit Franz Kaspar wurde ein trickreicher Geschäftsführer als Generalvikar eingestellt. Das Domkapital entmachtete der Bischof durch einen „Vermögensverwaltungsrat“ unter Leitung des einstigen hessischen Staatskanzleichefs Jochen Riebel. Über die realen Kosten wusste der offenbar aber auch nicht wirklich Bescheid.

Dass Riebel, erzkatholisch und konservativ, vom Bischof mittlerweile sagt, dass er entweder „ein Lügner oder krank“ sein müsse, spricht Bände – die Zahl der Unterstützer von Tebartz-van-Elst schrumpft. Am Montag flog er mit dem Billigflieger Ryanair nach Rom geflogen ist, wo er dem Papst nicht nur über die verheimlichten Baukosten, sondern auch über seinen mit eidesstattlicher Falschaussage verleugneten First-Class-Flug in die Slums von Indien Rede und Antwort stehen muss.

Vielflieger-Vikar

Diesen hatte sein Generalvikar Franz Kaspar mit 100.000 Bonusmeilen durch ein Update von der Business-Class ermöglicht. Wobei sich die Frage stellt, wie der Geschäftsführer eines kleinen Bistums privat zu derartigen Mengen Meilen kommt, die er sich auf Flügen nach Bombay und Bangkok erworben hat. Danach ist bis dato kaum gefragt worden – und wird es auch nicht mehr, denn unlängst wurde der Generalvikar nach seinem „segensreichen“ Wirken verabschiedet. Wie er freilich die wunderbare Geldvermehrung zustande gebracht und an Kontrollgremien vorbei mindestens 31 Millionen lockermachte, dieser Verantwortung wird sich Kaspar vermutlich noch stellen müssen. Oder auch nicht – denn dieser Herr ist ein Meister des Vertuschens und hat dies als jahrzehntelanger Leiter des katholischen Kinderheims „Vincenzstift“ in Aulhausen bei Rüdesheim unter Beweis gestellt.

Seinen dortigen Vorgänger Rudolf Müller wollte er noch 2006 mit einem Haus auf dem Gelände für sein „segensreiches Wirken ehren“. Dieser hatte sich 1970 das Leben genommen, nachdem sein jahrelanger Kindesmissbrauch an die Öffentlichkeit gekommen war. Dass sein Nachfolger Kaspar mit der berüchtigten „schwarzen Pädagogik“ aufgeräumt hätte – wie das Bistum Limburg behauptet –, ist frommes Wunschdenken.

Für Gott vor Gericht

Als das Buch des ehemaligen Insassen Alexander Homes „Prügel vom lieben Gott. Eine Heimbiografie“ 1981 erschien, ging Kaspar mit rechtlichen Mitteln dagegen vor. Eltern, die sich über die Misshandlung ihrer behinderten Kinder beschwerten, zog er vor Gericht. Täuschen und Abstreiten im Namen Gottes, das kann der Ex-Generalvikar. Insofern darf man auf die weitere Entwicklung des Falls gespannt sein.

Nach dem überfälligen Abgang des Bischofs wird man seinen Strippenzieher unter die Lupe nehmen und möglicherweise vor den Kadi bringen müssen. Wer auch immer „Gollums“ Nachfolger wird, kann sich indessen über eine äußerst geschmackvolle Residenz samt ebensolcher Einrichtung freuen. Und die zweisitzige Luxusbadewanne für 15.000 Euro könnte der Debatte um das Zöli-Bad immerhin neuen Schwung geben.