Banger Blick in die Zukunft

Vor dem Bundesverfassungsgericht kämpft Klaus Wowereit nicht nur um Milliarden für Berlin, sondern auch für die Haushaltspolitik des Senats. Ein Scheitern hätte politische Konsequenzen

VON RICHARD ROTHER

Als „leidenschaftlich“ beschrieben Beobachter den Auftritt von Klaus Wowereit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Kein Wunder, der Regierende Bürgermeister (SPD) kämpfte gestern um Milliarden für Berlin. Und um eine gute Bilanz seiner fast fünfjährigen Amtszeit. Denn eines ist klar: Urteilt Karlsruhe im Sinne Berlins, ist dies auch ein Erfolg für den rot-roten Senat, der das heiße Eisen Verfassungsklage als Erster angepackt hat. Ein negatives Urteil hätte nicht nur immense finanzielle Konsequenzen – der politische Gegner könnte den Gang nach Karlsruhe als Fehler darstellen und den Sparkurs des Senats kritisieren, wahlweise als zu hart oder zu weich. Bei der Abgeordnetenhauswahl im September dürfte das Karlsruher Verfahren also eine wichtige Rolle spielen.

Wie sehr die Opposition auf kleinste Ausrutscher wartet, zeigt eine Reaktion des CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger. Pflüger bemängelt etwa eine Aussage von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der in einem Zeitungsinterview die Übernahme der Berliner Schulden als „Taschengeld“ bezeichnet habe. Damit erweise Sarrazin Berlin einen Bärendienst, so Pflüger.

Auch die Grünen rüsten sich schon für den Wahlkampf. „Unabhängig vom Ausgang der Klage in Karlsruhe muss Berlin weiter sparen“, so die Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig. Aber Berlin müsse auch verstärkt an Bildungs- und Zukunftsinvestitionen denken. „Hier hat der Senat über Jahre an den falschen Ecken und Enden gespart.“ Zudem müsse sich Berlin intensiver im Bundesrat einmischen, „um die Länder- und Kommunalfinanzen endlich generell zu stabilisieren“, sagte Eichstädt-Bohlig. So richtig die Forderung ist – die grüne Spitzenkandidatin blendet damit aus, dass es gerade die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung war, die die Einnahmesituation von Bund und Ländern belastet hat.

Ein negatives Urteil würde Berlin nicht nur zu drastischeren Sparmaßnahmen zwingen, es hätte auch Auswirkungen auf seine Kreditfähigkeit. Denn Berlin ist mit der Maßgabe nach Karlsruhe gezogen, sein Schuldenproblem nicht selbst lösen zu können. Würde die Hilfe verweigert – wer sollte gäbe dann noch Kredite? Zumindest dürften die Zinsen steigen: Je höher das Risiko für einen Kredit, umso höher die Zinsen. Berlins Hinabgleiten in die Schuldenspirale würde sich beschleunigen.

inland SEITE 6