Perfekter Zeitpunkt

AUS DAHABKARIM EL-GAWHARY

Terroristen haben in Ägypten erneut in einem Urlaubsort zugeschlagen und dabei zahlreiche Menschen in den Tod gerissen. Unter den Opfern ist auch ein deutsches Kind. Es war der dritte Anschlag dieser Art in der Ferienregion binnen anderthalb Jahren.

Die drei Sprengsätze explodierten am Montagabend in dem Seebad Dahab auf der Sinai-Halbinsel. 23 Menschen starben, 62 weitere wurden verletzt, wie das Innenministerium in Kairo mitteilte. Die Bomben detonierten an einem Feiertag fast zeitgleich in einem Supermarkt, einem Café und einem Restaurant in dem Strand- und Taucherparadies. Die primitiven Rohrbomben waren offenbar mit Nägeln gespickt. Die Polizei nahm am Dienstag bereits zehn Verdächtige im Zusammenhang mit den Anschlägen fest, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.

Am Morgen nach den Anschlägen bietet sich dem Besucher ein paradoxes Bild. Schon kurz nach dem malerischen Sonnenaufgang weht ein warmer Wind vom Meer, friedlich schlagen die Wellen des Golfs von Akaba gegen den Strand. Auf der Strandpromenade hingegen ein Bild der Verwüstung. Überall liegen Glasscherben, die Einrichtung der Läden und Restaurants, vor denen am Abend zuvor die drei Bomben gezündet wurden, sind vollkommen zerstört. Fast symbolisch liegen in einem der Auslagen ein halbes Dutzend von der Druckwelle der Explosion zerschmetterte Weltkugeln.

„Es war wie in einem schlechten Film. Ich habe nie geglaubt, dass ich so etwa erleben muss“, sagt der 14-jährige Yassen Osman, der mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Dahab gekommen ist, um dort mehrere ägyptische Feiertage zu verbringen. Er war von der Explosion gerade einmal so weit entfernt, dass er von der Druckwelle nicht umgerissen wurde. Wie von Sinnen rannte er danach in Richtung des Anschlagsortes, verzweifelt, dass seine Mutter oder sein Bruder unter den Opfern sein könnten. „Ich bin über Leichen und die verstümmelten Körper gestiegen. Manche Menschen hatten keine Arme mehr, andere kein Gesicht. Überall war Blut“, erzählt er monoton, während er mit glasigen Augen dasitzt und aufs Meer hinausblickt.

Seine Mutter Francesca, die er schließlich erleichtert nach ein paar Stunden Suche zusammen mit seinem Bruder wiederfand, hat sich inzwischen hinter einer Sonnenbrille versteckt. Sie steht sichtlich unter Schock, will eigentlich gar nichts sagen. Nur so viel, dass sie in der Nacht zuvor im Krankenhaus ihre Kinder gesucht habe und dabei die Decken der Leichen hochziehen musste, jedes Mal in der Hoffnung, dass keines ihrer Kinder dabei war.

Andere Touristen üben sich in Normalität. Wie aus Trotz gehen mittags die ersten Windsurfer wieder aufs Wasser. „Dahab ist nach dem Anschlag der sicherste Ort der Welt, so etwas passiert nicht zweimal“, sagt jemand, der sich am Strand wieder zum Sonnen gelegt hat.

Aber zumindest einmal hatten die Täter mit maximaler Effektivität zugeschlagen. Der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt. Aufgrund der ägyptischen Feiertage und der vielen europäischen Osterurlauber war Dahab ausgebucht. Die meisten Menschen kamen entweder gerade vom Strand zurück, hatten es sich in den Strandcafés gemütlich gemacht oder waren durch die Einkaufsstraße promeniert.

Der Ort gilt als einer der letzten Ziele für Individualreisende in Ägypten: Aus der kleinen Beduinensiedlung am palmenbewachsenen Strand vor der Kulisse des Sinai-Gebirges hat sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre ein Ferienort für Aussteiger entwickelt. Während Reiseziele wie Scharm al-Scheich oder Hurghada überwiegend auf Pauschalreisende setzen, zog Dahab bislang vor allem Rucksacktouristen aus aller Welt an.

Für die Tourismusbranche des Landes ist das Attentat daher ein weiterer Tiefschlag. Der Fremdenverkehr bringt dem Land mehr als sieben Milliarden Dollar pro Jahr. Der Reiseveranstalter TUI stoppte nach den Anschlägen vorerst alle Ausflüge auf die Sinai-Halbinsel. Dies sei aus Sicherheitsgründen entschieden worden, teilten das Unternehmen mit. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes halten sich derzeit rund 300 Urlauber aus Deutschland in der Region um Dahab auf.