Die Erben des Turnvaters

JUBILÄUM I Das Sportressort ist fast so alt wie die taz. Seit 1983 sind die „Leibesübungen“ ein besonderes Markenzeichen der tageszeitung

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„Ich wusste gar nicht, dass die taz einen Sportteil hat.“ Bis heute gibt es Menschen, die sich verwundert die Augen reiben, wenn sich ein Sportredakteur der taz bei ihnen meldet. „Glaube ich nicht“, sagten sie dann, wenn sie hören, dass schon seit 30 Jahren regelmäßig Sport getrieben wird in der taz. Im Oktober 1983 ist zum ersten Mal eine Seite erschienen, über der „Leibesübungen“ stand. Grund genug, sich der Anfänge zu erinnern, und natürlich Anlass zu großen Feierlichkeiten.

Am 18. Oktober kommen in Berlin noch einmal all die Redakteure und Kolumnisten zusammen, die dazu beigetragen haben, dass die Leibesübungen zu einem Markenzeichen der taz geworden sind. Angefangen hat alles mit schwierigen Diskussionen. Tränen sollen geflossen sein in so manchem Plenum der taz. Die Angst vor der totalen Verbürgerlichung der taz durch die Einführung einer Sportseite war dann aber doch eine Minderheitenemotion.

Seit dem 3. Oktober 1983 erschien dann einmal in der Woche tatsächlich eine Sportseite. Manfred Kriener erinnerte sich an den Sportunterricht in seiner Jugend und ließ „Leibesübungen“ über die Seite schreiben. Leibesübungen? Manch einer wunderte sich über dieses Wort, das doch arg an das Turnen als Wehrertüchtigung erinnerte, so wie es Friedrich Ludwig Jahn den deutschen Männern vor gut 200 Jahren beibringen wollte. Und doch passte es zu dieser dauerkritischen Sponti-Attitüde, die die taz damals ausgemacht hat.

Die linken Leibesübungen waren geboren, und statt „frisch, fromm, fröhlich, frei“ war der Kasten mit dem Sportmeldungen mit „frisch, krumm, ölig, high“ überschrieben. Der erste Aufmacher handelte von einem österreichischen Boxer und war geklaut. Matti Lieske, neben Norbert Thomma und Uli Kulke einer der Gründerväter des Sports in der taz, erinnert sich daran und kann nichts Schlimmes dabei finden. „Das war ein guter Text“, sagt er, und wenn ein Text gut gewesen sei, dann habe man ihn gedruckt. Um das Urheberrecht hat man sich keine großen Gedanken gemacht und auch den Autor hat man nicht verständigt. Der war ja sogar schon bezahlt, war doch sein Text an anderem Ort schon erschienen.

Und so wurde der österreichische Journalist Paul Yvon mit einer Geschichte, die er für das österreichische Nachrichtenmagazin Profil geschrieben hatte, zum ersten Aufmacherautor der Leibesübungen, ohne selbst etwas davon zu wissen. Wer mehr Anekdoten dieser Art erfahren möchte, dem seien die acht Seiten Leibesübungen ans Herz gelegt, die am 18. Oktober an 30 Jahre Sportberichtestattung in der taz erinnern sollen.

Wie ist Rennrodler Georg Hackl zur rasenden Weißwurst geworden und was hat sich Michael Schießl damals eigentlich gedacht, als sie ihn so nannte? Wie geht es dem olympischen Superpferd heute, das Frank Ketterer bei den Olympischen Spielen 2004 für die taz interviewen durfte? Was ist so faszinierend an der Suche nach dem Schönen im Fußballspiel und warum hat die taz einen wie Jürgen Klinsmann auf der Titelseite einst ans Kreuz genagelt? Warum ist den Leibesübungen der US-Sport so wichtig? Was ist das Daily Dope des Sportlers? Warum spielt die taz nicht mit, wenn ihre Reporter sich einer Tiefenprüfung durch Geheimdienste unterziehen müssen, nur weil sie über eine Leichtathletik-WM berichten wollen? Wie kam es dazu, einen Redakteur ins aussichtslose Rennen um die Präsidentschaft beim DFB zu schicken? Und wieso werden Werbebotschaften auf Sportfotos konsequent verpixelt?

Es ist viel passiert auf den Leibesübungen-Seiten. Daran soll in der Zeitung erinnert werden und auf dem großen Fest am 18. Oktober in der Alten Kantine Wedding in Berlin. Ab 20 Uhr gibt es ganz viel taz-Geschichte und noch mehr taz-Geschichten aus den vergangenen 30 Jahren. Es lesen die Leibesübungenautoren.

Andreas Rüttenauer ist seit 2006 Sportredakteur der taz