Im Schongang durch den Wald


AUS KÖLN CHRISTIANE MARTIN

Wilhelm hört aufs Wort, bleibt sofort stehen, wenn Elmar Stertenbrink es sagt. „Zuuuu-rück, Wilhelm!“, ruft er. Oder: „Brrrr, Wilhelm!“. Schon stoppt der neun Jahre alte Wallach den kleinen Galopp, in den er unversehens geraten war. „Na, jetzt wird er aber ungeduldig und will langsam seine Mittagspause“, sagt Stertenbrink lächelnd und klopft seinem Pferd freundschaftlich die Flanke. Wilhelm hat immerhin schon einige Stunden Schwerstarbeit hinter sich. Als Rückepferd ist er in einem Kölner Waldgebiet im Einsatz und zieht Festmeter um Festmeter gefällter Baumstämme aus dem Unterholz an den Wegesrand.

Auch wenn sie antiquiert anmutet: die Methode sei effizient und vor allem ökologisch sinnvoll, versichert Stertenbrink. Der 44-jährige Forstwirt hat gemeinsam mit seiner Frau eine Fuhrhalterei in der Nähe von Düsseldorf mit insgesamt sieben Pferden und sechs Mitarbeitern. Neben Planwagenfahrten bietet das Familienunternehmen hauptsächlich forstwirtschaftliche Dienstleistungen an. Tag für Tag ist Stertenbrink in der Saison, von September bis Mai, mit einem seiner niederländischen Kaltblüter im Wald unterwegs und betreibt nachhaltige Forstwirtschaft. „Zum Prinzip der Nachhaltigkeit gehört auch, das Holz möglichst schonend zu entnehmen“, sagt Stertenbrink. Vor allem Bodenverdichtungen gelte es zu vermeiden. „Damit neue Bäume nachwachsen können“, erklärt er. Der Druck der Pferdehufe sei zwar punktuell um ein Vielfaches größer als der von Fahrzeugen, diese aber würden vor allem beim Anfahren Bodenschichten horizontal verschieben und so die natürliche Bodenstruktur zerstören.

Stertenbrink ist trotzdem kein Feind von Maschinen. Aus einer modernen Forstwirtschaft sind sie für ihn nicht wegzudenken und für den Abtransport des Holzes nutzt er einen Tragschlepper. Das „Holzrücken“ aber erledigt er lieber mit echten Pferdestärken als mit Maschinen. „Ich verurteile niemanden, der dafür statt der Pferde eine herkömmliche Seilmaschine einsetzt. Wer die vorsichtig bedient, kann damit auch vernünftige Arbeit leisten“, sagt er. Schneller sei die Maschine aber nicht. Und er liebe nun mal die Pferde.

So sind Wilhelm und er ein eingefleischtes Team. Geduldig wartet das Zugpferd, bis sein Partner die schwere Eisenkette um einen drei Meter langen Roteichenstamm geschlungen hat. Dann ertönt ein leises Kommando und Wilhelm zieht an. Das Kettengeschirr spannt sich, und mit einem kräftigen Ruck löst der Baumstamm sich aus einem Gewirr von Ästen und Gesträuch.

Locker dirigiert Stertenbrink das Pferd mit einem Zügel nach rechts und lässt ihm dann freien Lauf. „Das macht der ganz alleine. Ich kann ja einem erwachsenen Pferd nicht immer reinreden“, sagt der Pferdekenner Augen zwinkernd und läuft seinem Tier hinterher, das abrupt stehen bleibt, als Stertenbrink sein leises „Brrrr“ hören lässt. Schnell wird die Kette gelöst, der Zügel gefasst, und wieder geht es rein in den Wald.

Um die 50 Festmeter Holz schleppen die beiden täglich aus dem Wald. „Klar ist das ein einsamer Job“, sagt Stertenbrink. Aber das habe die Waldarbeit so an sich. Und eigentlich sei er ja eher zweisam als einsam. Die Kommunikation mit dem Pferd sei schließlich recht intensiv. Und wenn er nachmittags zurück auf seinen Hof kommt, gebe es sowieso genug Leben um ihn herum. Fünf Kinder haben die Stertenbrinks und jede Menge Tiere. Feierabend macht der Hausherr oft erst spät in der Nacht, denn er kümmert sich nicht nur um seine Fuhrhalterei. Der Pferdefreund ist in Nordrhein- Westfalen zweiter Vorsitzender der Interessengemeinschaft Zugpferde.

Gemeinsam mit seinem Verein hatte er es 2003 geschafft, die damals noch rotgrüne Landesregierung zu überzeugen, den Rückepferdeeinsatz zu subventionieren. Seitdem wird jeder Festmeter Holz, den Wilhelm oder einer seiner Artgenossen aus dem Wald ziehen, mit drei Euro gefördert. „Für 2006 haben wir 90.000 Festmeter zur Förderung beantragt. Das ist mehr als das Dreifache im Vergleich zu 2003“, sagt Stertenbrink nicht ohne Stolz. Das Holzrücken mit Pferden sei im Kommen. Allein aus seinem Betrieb heraus hätten sich zwei neue gegründet, weil ehemalige Mitarbeiter sich selbstständig gemacht haben. Ob die Förderung allerdings beibehalten wird, steht in den Sternen. „Prinzipiell ja“, heißt es aus dem Ministerium der neuen Landesregierung. Aber Geld sei eigentlich keins da. „Also müssen wir abwarten, wie es weitergeht“, sagt Stertenbrink.

Ob mit oder ohne Förderung – Wilhelm und er haben erstmal genug zu tun. Noch drei Birkenstämme liegen im Wald und warten darauf, herausgezogen zu werden. Und am nächsten Tag geht es an anderer Stelle weiter, bei Wind und Wetter.