Der lange Arm des Kaisers

Prunkvolle Schätze aus chinesischen Grab- und Tempelanlagen sind zu Gast in der Bundeskunsthalle in Bonn. Erstmals durften auch einige der 8.000 Krieger der legendären Terrakottaarmee ausreisen

aus Bonn KATJA BEHRENS

Es sei nun endlich „geboten, unsere neuen Freunde kennen zu lernen“, so flankiert einer der Archäologen die politischen und strategischen Bemühungen um die Wirtschaftsmacht China, die sich seit dem Wochenende in einer großen Ausstellung in Bonn materialisiert haben. Die Bundeskunsthalle zeigt mit der Ausstellung „Xi‘an – Kaiserliche Macht in Jenseits. Grabfunde und Tempelschätze aus Chinas alter Hauptstadt“ die Ergebnisse der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit im Kulturgüterschutz – seit gut 15 Jahren ein ambitioniertes Projekt der Archäologen, Restauratoren und Kulturpolitiker hier wie dort.

Nachdem Ying Zheng im Jahre 237 v.Chr. zum König des Qin Staates gekrönt worden war, begann er 230 v.Chr., die sieben streitenden Reiche Chinas gewaltsam zu einen. Das erste feudale Kaiserreich Chinas zentralisierte die Macht und Shi Huang Di („Erster Erhabener und Göttlicher“), wie Zheng nun hieß, wurde der erste Kaiser von China. Die Schreckensherrschaft der Qin fand erst mit der Han-Dynastie (206 v.Chr. bis 220 n.Chr.) unter ihrem Kaiser Gao zu ein Ende.

1974, beim Graben eines Brunnens, stießen Bauern des Dorfes Xiyang in der Provinz Shaanxi auf eine Schicht aus hartem, gebranntem Ton. Dass sie die größte archäologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts gemacht hatten, wurde den herbei eilenden Fachleuten bald klar. Es handelt sich um eine riesige Armee von Tonkriegern und Tonpferden aus der Grabanlage Shi Huang Dis. Jenem ersten Kaiser, dem es in blutigen Kriegen gelungen war, einen gemeinsamen Kulturraum zu schaffen, der Schrift, Maße, Gewichte und Münzen ebenso wie die Standspurbreite der Wagen vereinheitlichte und standardisierte.

Unter Mitarbeit von zeitweise 700.000 Arbeitern hatte der Kaiser, getrieben von der Gewissheit der eigenen Sterblichkeit, schon zu Lebzeiten begonnen, seine Lebenswelt 1:1 unter der Erde zu wiederholen. Das Totenreich mit Gebäuden, unterirdischen Flüssen, mit Kleintierherden, Vögeln, Kamelen und Pferden war Spiegelbild des irdischen Lebens. Ein gigantomanisches Projekt auf 2,5 Quadratkilometern, das auch vor Menschenopfern nicht zurückschreckte, vergleichbar höchstens den ägyptischen Pyramiden der Pharaonenzeit. Die Sepulkralbauten unter der alten Kaiserstadt sind indes nicht nur Zeichen der immensen Machtfülle, Demonstration des absoluten Herrschaftsanspruchs, Maßnahme zu Machterhalt und Stabilisierung der faktischen wie der symbolischen Ordnung, sondern zugleich Ausdruck ausgeprägter handwerklicher und künstlerischer Fertigkeiten, wissenschaftlicher und medizinischer Kenntnisse.

Der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Sicherung dieses einzigartigen Weltkulturerbes dienen verschiedene vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte deutsch-chinesische Forschungsprojekte, aus der jetzt die Ausstellung in der Bundeskunsthalle resultiert. So werden in Bonn anhand von zwei aufwendigen CAD-Simulationen Grabanlagen rekonstruiert, werden die Resultate konservatorischer Sicherungen verschiedener Gruben und ihrer wertvollen Inhalte präsentiert.

Über einen Zeitraum von mehr als 1.000 Jahren war die Stadt Xi‘an die Hauptstadt Chinas, war Anfang und Endpunkt der Seidenstraße, welche schon in vorchristlicher Zeit dem Handel diente. Auf der Straße wurden, Glas, Silber, Seide, Gewürze und Holz transportiert ebenso wie kulturelle Fertigkeiten und technisches Wissen. Heute ist wieder eine ähnliche Dynamik in Gang gekommen. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat bei seinen fast jährlichen Chinabesuchen die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und der Bundesrepublik nachhaltig festgeklopft und manchem deutschen Unternehmer in seinem Schlepptau die Türen zum wachsenden Markt des Landes geöffnet. Lästige politische Skrupel prallten sowohl am damaligen Kanzler als auch an den beteiligten Unternehmern ab. Themen wie Menschenrechte und Waffenembargo etwa wurden tunlichst vermieden, statt dessen wurde dankbar das kulturelle Engagement als Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung erkannt.

Der Bund hat das chinesisch-deutsche Forschungsprojekt, dessen beeindruckende Ergebnisse wir nun in Bonn bestaunen können, bislang mit 8,7 Millionen Euro unterstützt und will dieses Engagement „unverändert stark“ fortsetzen. Gut 200 Exponate der Qin, Han und Tang Dynastien von 221 v.Chr. bis 907 n.Chr. geben einen wunderbaren Einblick in Begräbnisrituale und -gepflogenheiten der herrschenden Klassen, in Jenseitsglauben, Staatswesen und Herrscherkult einer Zeit, die als die Wiege der chinesischen Kultur gilt. Längst schon wissen wir: Im Reich der Mitte hat so ungefähr alles begonnen worauf wir als zivilisierte Bewohner der westlichen Welt heute stolz sind. Neben Schrift und Geld auch das Beamtentum.

Bundeskunsthalle Bonnbis 23. Juli