„Viel schlechter kann es nicht werden“

Tischtennisveteran Jörg Roßkopf über die Chancen des deutschen Teams bei der Mannschafts-WM, die nächste Woche in Bremen beginnt, über sinkende Gehälter für sich und seine Kollegen und den Stellenwert seiner Sportart

taz: Herr Roßkopf, Sie schmetter am 1. Mai gegen China mit einer Rückhand den letzten Ball der WM zum 11:9 hinein und treten 21 Jahre nach Ihrer ersten Weltmeisterschaft international zurück.

Jörg Roßkopf: Alles wird nicht eintreten.

Der erste Triumph über China im 17. WM-Spiel oder Ihr Rücktritt?

Ich spiele auf jeden Fall nach der WM international weiter. Es wäre sehr schön, wenn es zum Finale gegen China käme. Aber es ist überhaupt sehr schwierig für uns, ins Endspiel zu gelangen. Erst gilt es, die Gruppe C zu überstehen.

Wer hat die besseren Aussichten, 2006 Weltmeister zu werden: die Tischtennisspieler oder die Fußballer?

Für beide ist es schwer. Aber wir können beide mit dem Heimvorteil im Rücken ins Finale kommen. Weltmeister im Tischtennis wird jedoch China und im Fußball Brasilien. Wobei es im Fußball eher Überraschungen geben kann. Schaffen wir den Sprung ins Viertelfinale, hängt vieles von der Auslosung ab.

Bleibt man von den Chinesen verschont oder nicht?

Genau. Würden wir unsere Sechsergruppe gewinnen, kämen wir frühestens im Halbfinale gegen den Weltmeister. Belegen wir Platz zwei hinter Österreich, droht uns der Top-Favorit sofort.

Wen sehen Sie hinter China auf den Medaillenplätzen?

Südkorea im Finale wäre keine Überraschung. Sie stehen in der Weltrangliste auf Platz zwei. Hongkong, Taiwan und Schweden mit Rückkehrer Jan-Ove Waldner finde ich sehr stark.

Als Einziger aus dem nominierten Quintett besitzt Timo Boll eine Stammplatzgarantie.

Ja. Wir haben einen, der alle Spiele bestreitet, und vier, die gleichwertig sind. Die Aufstellung orientiert sich folglich an taktischen Gesichtspunkten und Tagesform. Ich bin mit meiner Saison bisher zufrieden und verspüre Rückenwind.

In der Bundesliga hatten Sie nach verletzungsbedingten schwächeren Jahren endlich wieder eine positive Bilanz. Gleiches gilt für Christian Süß. Vorteile also für Sie und ihn auf den Positionen zwei und drei im Team?

Nee. Zoltan Fejer-Konnerth hat international sehr gut gespielt, Bastian Steger halte ich auch für ebenbürtig. Klar, taktische Gesichtspunkte kennt man, etwa dass ich gegen Penholder-Spieler besser spiele als die anderen drei. Aber dafür liegen einige Spieler wieder Christian, Zoltan und Bastian mehr. Im Endeffekt ist also alles offen.

Wäre ein Hickhack wie zwischen Lehmann und Kahn im Tischtennis-Team denkbar? Ein Teil der Mannschaft fuhr die letzten Jahre sogar zusammen in Skiurlaub.

Das zeichnet uns von jeher aus. Wir verfügen über einen guten Kader, zu dem auch Lars Hielscher und Torben Wosik zählen, die den Sprung in den WM-Kader verpassten.

Der überragende Timo Boll selbst sagt, er sieht Sie als Führungsspieler.

Timo mag die Rolle nicht. Es ist vielleicht so wie im Fußball bei Michael Ballack. Der weiß auch, er ist der beste Spieler, möchte sich aber nicht um das Drumherum kümmern. In diese Rolle muss man hineinwachsen, und Timo braucht mit 25 noch Zeit. Er soll lieber seine Spiele in Bremen gewinnen. Timo fügt sich gerne in die Mannschaft ein und hat Spaß daran. Jedes Team braucht wohl einen Kopf. Ich bin über Jahre hineingewachsen, angefangen in Düsseldorf, und akzeptiere dies gerne.

Müssen die deutschen Herren Weltmeister werden, um wieder einen Tischtennis-Boom wie anno 1989 nach Ihrem WM-Sieg im Doppel mit Steffen Fetzner auszulösen?

Das brachte damals die komplette Sportart weit nach vorne. Ein schlafender Riese wurde tatsächlich geweckt. Wir brauchen Tischtennis nicht zu wecken, weil wir bereits einen gewissen Stellenwert besitzen und gute Resultate vorweisen. Ob es für einen zweiten Boom reicht, wage ich zu bezweifeln. Inzwischen sind die Pfründen auf wenige Sportarten verteilt. 1989 befand sich das Sportsponsoring noch im Aufbau. Heute ist es selbst für Timo Boll schwierig, private Sponsoren zu finden. Damals wurden wir angerufen und erhielten Angebote. Diese Zeit kehrt nicht mehr zurück. Inzwischen verdient Timo sehr, sehr gut mit der Sportart, bei allen anderen gingen die Gehälter nach unten. Ich kenne die Verträge und merke es auch an meiner Person. Nicht von ungefähr wechseln manche wie Peter Franz und Torben Wosik nach Frankreich oder Spanien, interessant wird nun auch Russland.

Bleibt die Hoffnung auf den asiatischen Markt?

Selbst in China muss Tischtennis kämpfen. Es ist ja nicht so, dass die dort in der Gunst ganz vorne liegen. Sie haben natürlich den Vorteil mit der Staatsförderung, besonders mit Blick auf die Olympischen Spiele in Peking 2008. Die Bundesliga ist okay, so wie sie ist, aber in den letzten 20 Jahren passierte eigentlich nicht viel. Vereine wie Steinhagen, Reutlingen und Saarbrücken gibt es nicht mehr, obwohl sie unglaublich viele Zuschauer hatten. Auch in Grenzau ging das Interesse zurück. Heute verlieren sich 300, 400 Zuschauer in der Halle. Es ist daher einfach, in der Bundesliga etwas zu verändern – viel schlechter kann es nicht mehr werden.

INTERVIEW: HARTMUT METZ